Die Zeitenwende in Deutschland
Die Folgen des Ukrainekriegs in Deutschland

Seit dem 24. Februar 2022 tobt der Krieg in der Ukraine. Er verursacht unsägliches Leid – und er verändert auch Deutschland. Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine zeigt gravierende Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Die seit 2021 steigenden Preise für Energie, Lebensmittel und Konsumgüter belasten die Wirtschaft und die privaten Haushalte. Angesichts der hohen Preise haben viele Bürgerinnen und Bürger damit begonnen, sich einzuschränken. Sie rechnen damit, dass Arbeitsplätze verloren gehen werden und sehen bei der Bezahlung ihrer Energierechnungen große Schwierigkeiten auf sich zukommen.
Die Bundesregierung hat Entlastungen für Privathaushalte und Unternehmen in Höhe von 300 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Der Angriff auf die Ukraine leitete eine Zeitenwende ein, deren Folgen auf lange Zeit die Kräfte der Politik und der Wirtschaft binden werden.
Es war über Jahrzehnte hinweg die Grundüberzeugung deutscher Außen- und Sicherheitspolitik, dass aus der historischen Schuld Deutschlands eine besondere Verantwortung erwächst und sich Deutschland in militärischer Zurückhaltung übt. Jahrzehntelang galt in der deutschen Politik auch der Grundsatz „Wandel durch Handel" oder „Wandel durch Annäherung“. Ein autoritäres Regime wie Russland, so die Vorstellung, würde sich allmählich politisch und gesellschaftlich öffnen und annähern, wenn man Anreize durch enge wirtschaftliche Zusammenarbeit böte. Unter dem Brennglas der aktuellen Krisen treten nun die Versäumnisse der Vergangenheit zu Tage. Was gestern noch unvorstellbar erschien, ist nun wahr geworden.
Schwere Waffen, humanitäre und Finanzhilfen für die Ukraine, Milliardenschulden für die Bundeswehr, Sanktionen gegen Russland, eine Neuausrichtung der Energiepolitik, drei Entlastungspakete, einem umfassenden Abwehrschirm gegen die steigenden Energiekosten, der weitere Betrieb von drei Atomkraftwerken: Mit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine fielen hierzulande etliche Tabus.
Russlands Überfall auf die Ukraine war weltweit ein Schock. Bis zuletzt hatten westliche Staats- und Regierungschefs gehofft, Präsident Wladimir Putin davon abhalten zu können. Die Reaktionen kamen rasch: Deutschland verhängte zusammen mit den USA, der Europäischen Union und weiteren Staaten harte Sanktionen gegen Russland.
Seither sind viele Folgen des Krieges und der Sanktionen spürbar. Vor allem die Preissteigerungen für Energie und Lebensmittel sorgen für sinkende Realeinkommen. Nach Ansicht vieler Ökonomen steht die deutsche Wirtschaft am Rande einer Rezession. Mit jedem weiteren Kriegstag in der Ukraine wird deutlich, dass auch Deutschland einen enorm hohen Preis für die russische Aggression zahlt.
Unser umfangreiches Dossier hält über die aktuellen Entwicklungen im Krieg in der Ukraine auf dem Laufenden und bietet zahlreiche Analysen und Hintergrundinformationen rund um den Konflikt Russlands mit der Ukraine und dem Westen.
In nur wenigen Monaten hat der Krieg in der Ukraine Zehntausende Todesopfer gefordert, darunter auch viele Opfer unter der Zivilbevölkerung. Inwiefern wird es gelingen, die begangenen Völkerrechtsverbrechen zu ahnden und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen?
Zeitenwende-Rede
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Schon drei Tage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, am 27. Februar 2022, konstatierte Bundeskanzler Olaf Scholz in einer viel beachteten programmatischen Rede im Bundestag eine „Zeitenwende“. Mit der Rede wurden gravierende Kursänderungen angekündigt: Stopp für die Gaspipeline Nord Stream 2, 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr, Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet sowie harte Sanktionen von bisher ungekanntem Ausmaß gegen Russland.
Der Kanzler bekräftigte in seiner Regierungserklärung, mit dem Überfall auf die Ukraine habe Putin kaltblütig einen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen. Dies geschehe aus einem einzigen Grund: „Die Freiheit der Ukrainerinnen und Ukrainer stellt sein eigenes Unterdrückungsregime in Frage. Das ist menschenverachtend. Das ist völkerrechtswidrig. Das ist durch nichts und niemanden zu rechtfertigen.“ Er sicherte der Ukraine Deutschlands Solidarität gegen den russischen Angriff zu: „Als Demokratinnen und Demokraten, als Europäerinnen und Europäer stehen wir an ihrer Seite – auf der richtigen Seite der Geschichte.“
Kanzler Scholz zog auch Konsequenzen: Die über Jahrzehnte vernachlässigte Bundeswehr soll wieder gestärkt werden. Ein 100 Milliarden Euro starkes „Sondervermögen“, also zusätzliche Schulden, wurde zur Finanzierung dringender Anschaffungen aufgelegt. Das von der NATO schon 2014 als Reaktion auf die russische Krim-Annexion beschlossene Ziel, mindestens zwei Prozent des BIP in die Rüstung zu stecken, soll ebenfalls künftig dauerhaft eingehalten werden. Um diese zwei Prozent Verteidigungsausgaben zu erreichen, müsste der deutsche Verteidigungsetat auf rund 70 Milliarden Euro steigen (2022: 50,4 Milliarden Euro).
Die Bundesregierung will das Sondervermögen im Grundgesetz verankern, in dem auch die Schuldenbremse steht. Es kann nur mit Zweidrittelmehrheit geändert werden. Dafür benötigen SPD, Grüne und FDP Stimmen aus der Union.
Im Grundgesetz soll im Artikel 87a ein neuer Absatz 1a eingefügt werden: „Zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit kann der Bund ein Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung in Höhe von einmalig bis zu 100 Milliarden Euro errichten. Am 3. Juni 2022 hat der Bundestag das sogenannte Sondervermögen Bundeswehr (20/1409) beschlossen. In namentlicher Abstimmung haben 593 Abgeordnete für das Sondervermögen und 80 Abgeordnete dagegen gestimmt. Sieben Parlamentarier haben sich der Stimme enthalten.
Keine Waffen in Krisen- und Kriegsgebiete zu liefern: das galt lange als Deutschlands Grundsatz, er wurde aber auch schon vor dem Ukrainekrieg mehrfach ignoriert. Es war ein langer Weg von 5.000 Helmen bis hin zur Lieferung der Panzerhaubitze 2000, des Flakpanzers Gepard und des Kampfpanzers Leopard-2. Deutschland unterstützt die Ukraine mit Ausrüstungs- und Waffenlieferungen in enger Abstimmung mit seinen Partnern und Verbündeten – aus Beständen der Bundeswehr und durch Lieferungen der Industrie, die aus Mitteln der Ertüchtigungshilfe der Bundesregierung finanziert werden. Der russische Angriffskrieg hat die deutsche Russland-Politik vom Kopf auf die Füße gestellt.
Zeit für die Schule: Sonderausgabe im März 2022:
»Zeitenwende«: Die Rede von Olaf Scholz
Energiekrise
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Die seit 2021 steigenden Energiepreise belasten Wirtschaft sowie Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland. Neben den drastisch gestiegenen Gas-, Öl- und Treibstoffpreisen zieht auch der Strompreis an. Es ist zu erwarten, dass die Gas- und Strompreise zumindest nicht mehr auf die Preise von 2021 fallen. Im Winter 2022/23 könnte Deutschland eine Gasmangellage drohen, so die Bundesnetzagentur. Ob es im Winter knapp wird mit dem Gas hängt maßgeblich vom Wetter ab. Aktuell sind die Gasspeicher zu über 70 Prozent gefüllt, was bis Ende des Winters ausreichen könnte.
Nach dem Stopp der russischen Gaslieferungen bezieht Deutschland derzeit Gas aus Norwegen, den Niederlanden und Belgien. Ab 2023 wird zusätzlich Flüssiggas (LNG) ins Gasnetz eingespeist. Insgesamt sind fünf schwimmende Terminals geplant, die mit staatlicher Hilfe kurzfristig einsatzbereit sein sollen: zwei in Wilhelmshaven und jeweils eins in Brunsbüttel, Stade und Lubmin. In Wilhelmshaven ist das erste LNG-Terminal Mitte Dezember in Betrieb genommen worden, in Lubmin Mitte Januar.
Mit geradezu atemberaubendem Tempo hatte die schwarz-gelbe Koalition 2011 unter dem Eindruck der Atomkatastrophe von Fukushima eine energiepolitische Kehrtwende vollzogen. Möglichst schnell sollte die Energiewende vollzogen werden. Das Bundeskabinett hatte am 6. Juni 2011 das sofortige Aus für acht Atomkraftwerke und den stufenweisen Ausstieg aus der Kernenergie bis Ende 2022 beschlossen.
Aktuell sind in Deutschland noch drei Atomkraftwerke in Betrieb. Angesichts der drohenden Energieengpässe plante das Bundeswirtschaftsministerium, wie gesetzlich festgelegt, die beiden Atomkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim 2 ab dem Jahreswechsel in eine Reserve zu schicken – und sie bei Bedarf wieder hochzufahren. Mit der Lücke in der französischen Atomleistung sollten die beiden Meiler im ersten Quartal 2023 weiter am Netz gelassen werden. Bundeskanzler Scholz hatte am 18.10.2022 entschieden, alle drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke, also auch das AKW Emsland, zunächst weiterzubetreiben, allerdings „längstens“ bis Mitte April 2023.
Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) war überzeugt: „Deutschland sichert in direkter Partnerschaft mit Russland große Teile seiner Energieversorgung auf Jahrzehnte.“ Seine CDU-Nachfolgerin Angela Merkel setzte 2015 die Gaspartnerschaft fort – auch noch nach der Annexion der Krim 2014 durch Russland. Zu diesem Zeitpunkt hatten osteuropäische Staaten, die USA und das EU-Parlament Deutschland zu einem Baustopp der Gaspipeline Nord Stream 2 aufgefordert. Russland könne die Abhängigkeit vom Gas als Waffe einsetzen. Alternativen zum Gas aus Russland, zum Beispiel Investitionen in Flüssiggasterminals, wurden nicht gesucht.
Um Strombedarfsspitzen aufzufangen, als Übergangsenergie und als Backup für Wind- und Sonnenflauten sollten Gaskraftwerke die fehlende Energie ersetzen, bis die erneuerbaren Energien den Strombedarf größtenteils abdecken können. Dabei hatte man sich in die Abhängigkeit russischer Gaslieferungen begeben. 55 Prozent der Gasimporte stammten im vergangenen Jahr aus Russland. Ende Juni 2022 kamen noch 26 Prozent des von Deutschland importierten Erdgases aus Russland. Der Bundesregierung war es im August gelungen, den Anteil von russischem Gas auf zehn Prozent zu senken. Die weggefallenen russischen Mengen wurden zuletzt durch höhere Liefermengen aus Norwegen, den Niederlanden und Belgien zum Teil ausgeglichen. Nach dem Stopp der Gaslieferungen über Nord Stream 1, Russland nutzt die deutsche Gasabhängigkeit als Druckmittel, bezieht Deutschland inzwischen weniger als 7 Prozent aus Russland. Die Gasspeicher in Deutschland, die Anfang April 2022 nur zu rund 26 Prozent gefüllt waren, wurden bis Jahresende 2022 zu über 90 Prozent gefüllt.
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte am 22. Februar 2022 aufgrund eines zu diesem Zeitpunkt zu erwartenden russischen Überfalls auf die Ukraine entschieden, das Zertifizierungsverfahren zur Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 zu stoppen. Die Bundesregierung hatte dann als Reaktion auf den russischen Überfall auf die Ukraine die Inbetriebnahme der fertiggebauten Pipeline Nord Stream 2 ausgeschlossen.
Wegen der eingeschränkten Energielieferungen aus Russland wurden stillgelegte Öl- und Kohlekraftwerke wieder hochgefahren. Dadurch wächst allerdings der CO2-Ausstoß. Deutschland wird deshalb seine Klimaziele 2022 nicht mehr einhalten können. Durch die Verknappung der russischen Gaslieferungen an Europa müssen Gas, Kohle und Öl auf den Spotmärkten zu derzeit extremen Preisen beschafft werden.
Ein wesentlicher Preistreiber ist Erdgas. Die Gaspreise sind vor allem gestiegen, weil Russland als Deutschlands wichtigster Lieferant nur noch wenig nach Deutschland pumpt. Bei sinkendem Angebot und steigender Nachfrage wird Gas teurer. Hinzu kommen die gestiegenen Weltmarktpreise für Öl und Kohle. Gestiegene CO2-Preise verteuern ebenfalls die Stromproduktion.
Mit dem Gaspreis befindet sich auch der Strompreis im Höhenflug. Der wichtigste Marktplatz für Strom ist in Deutschland die Strombörse EEX in Leipzig. Vor einem Jahr kostete dort eine Megawattstunde für den Folgetag weniger als 50 Euro. Derzeit liegt der Preis bei 500 Euro. Am europäischen Strommarkt bestimmt das teuerste Kraftwerk den Preis. Grund ist eine Regelung an der Strombörse: die sogenannte Merit-Order. Das Prinzip: Es gibt eine Einsatzreihenfolge der an der Strombörse anbietenden Produzenten. Wer den billigsten Strom herstellen kann, wird zuerst herangezogen, um die Nachfrage zu decken. Das sind in der Regel erneuerbare Energien. Reicht die angebotene Menge nicht aus, werden andere Kraftwerke hinzugenommen. Am Ende richtet sich der am Mittag ermittelte Preis nach dem zuletzt geschalteten und somit teuersten Anbieter. Das sind derzeit Kraftwerke, die mit Gas Strom erzeugen. Dadurch profitieren Betreiber von Windrädern, großen Solaranlagen und Kohlekraftwerken immens – ohne dass sie Zusätzliches leisten müssen.
Deutschland versorgt momentan auch Frankreich mit Strom, wo derzeit nur 44 von 56 Atomreaktoren wegen andauernder Wartungsarbeiten oder Reparaturen am Netz sind, im Sommer waren bis zu 32 Atommeiler gleichzeitig abgeschaltet. Frankreich importiert in diesem Jahr erstmals seit 42 Jahren mehr Strom als es exportiert. Auch in die Schweiz wurde im Sommer 2022 viel Strom exportiert, weil dort wegen des trockenen Sommers nicht so viel Strom aus Wasserkraft produziert werden konnte. Zum Jahresende sollten die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland ursprünglich abgeschaltet werden. Sie werden nun im ersten Quartal 2023 weiterhin noch Strom liefern. Der Bundestag stimmte am 11. Oktober 2022 für einen Gesetzentwurf der Regierung, wonach die Abschaltung der letzten drei verbliebenen Atommeiler Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 erst zum 15. April 2023 erfolgen soll. In der Abstimmung sprachen sich 375 Abgeordnete für den Weiterbetrieb der drei AKW aus, 216 Abgeordnete stimmten dagegen, 70 enthielten sich.
Um die drastisch gestiegenen Energiepreise für die Verbraucher abzufedern, will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mittelfristig durch eine grundlegende Reform des Strommarkts die Preise für Verbraucher und Industrie senken. Eine Idee ist, die Entwicklung der Endkundenpreise für Strom vom steigenden Gaspreis zu entkoppeln. Energiefirmen aus dem erneuerbaren Energien-, Öl-, Gas- und Kohlesektor in der EU könnten schon bald eine Sonderabgabe auf ihre zuletzt drastisch gestiegenen Gewinne (Zufallsgewinne) zahlen müssen. Mit dem Geld sollen laut einem Entwurf der EU-Kommission die Belastungen für Verbraucher und Industrie abgefedert werden. Die EU-Kommission schlug vor, die Erlösobergrenze für Energieerzeuger auf 180 EUR/MWh festzusetzen. Erlöse oberhalb der Obergrenze werden von den Regierungen der Mitgliedstaaten abgeschöpft.
In der Energiekrise will die EU-Kommission mit gemeinsamen Gas-Einkauf und weiteren Milliarden-Entlastungen für Bürgerinnen und Bürgern gegensteuern. Die EU-Kommission hatte am 18. Oktober 2022 ein neues Maßnahmenpaket vorgeschlagen, um die Energiepreise zu senken und die Versorgung zu sichern. Zentraler Bestandteil des Pakets ist der gemeinsame Einkauf von Erdgas über eine gemeinsame Einkaufsplattform, die Gasspeicher im kommenden Jahr sollen koordiniert (mindestens 15 Prozent der Füllung der Gasspeicher) gefüllt werden. Die EU-Kommission schlug zudem vor, fast 40 Milliarden Euro aus dem Gemeinschaftshaushalt, die für die regionale Entwicklung eingeplant waren, unter anderem für Entlastungen von Unternehmen und Bürgern umzuwidmen. Einen Gaspreisdeckel stellte die Kommission lediglich in Aussicht. Im Fall extremer Preise soll als letztes Mittel ein beweglicher Preisdeckel am niederländischen Marktindex Title Transfer Facility (TTF) vorgeschlagen werden könnte.
Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben sich auf ihrem EU-Gipfel am 21. Oktober im Energiestreit auf einen Fahrplan geeinigt, viele Fragen bleiben bisher offen. Die Länder haben sich auf gemeinsame Gaseinkäufe geeinigt, die auf Vorschlag der EU-Kommission zu einem kleinen Teil verpflichtend sein sollen. In der Abschlusserklärung des Gipfels ist konkret von einem "vorübergehenden dynamischen Preiskorridor" für den Handel mit Gas die Rede, der die Versorgungssicherheit nicht gefährdet.
Die EU-Staaten haben ihren monatelangen Streit am 19. Dezember 2022 um einen gemeinsamen Gaspreisdeckel beigelegt. Im Vergleich zu den Vorjahren hatten sich die Einkaufspreise für Erdgas an der Referenzbörse TTF (Title Transfer Facility) in den Niederlanden in diesem Jahr zum Teil verzehnfacht. Nun soll er auf 180 Euro pro Megawattstunde begrenzt werden - allerdings nur, falls dieser Preis drei Tage in Folge an der TTF verlangt wird. Sollte dieser Preisdeckel zu verminderten Gasverkäufen nach Europa führen und den Nachschub an Gas gefährden, wird der Preis wieder freigegeben. Die Energieminister und -ministerinnen einigten sich auch darauf, eine gemeinsame Einkaufsplattform für europäische Gasunternehmen zu schaffen. Das Vorhaben betrifft grundsätzlich nur Großkunden und nicht die Endverbraucher, wie etwa bei der Gaspreisbremse der Bundesregierung.
Mit einem umfassenden Abwehrschirm sollen die steigenden Energiekosten und die schwersten Folgen für Verbraucher und Unternehmen in Deutschland abgefedert werden. Neben der Strompreisbremse will die Bundesregierung eine Gaspreisbremse einführen. Für den Abwehrschirm stellt die Bundesregierung umfangreiche Finanzmittel in Höhe von bis zu 200 Milliarden Euro zur Verfügung, finanziert über Kredite, die der Wirtschaftsstabilisierungsfonds des Bundes aufnehmen wird.
Der Bund wird nun auch Mehrheitsaktionär bei Deutschlands wichtigsten Gasversorger Uniper. Das Unternehmen spielt nach Angaben der Bundesregierung eine systemrelevante Rolle für die Energieversorgung in Deutschland. Der Energiekonzern beliefert mehr als 100 Stadtwerke und große Unternehmen in Deutschland. Grund für die Verstaatlichung ist die fast komplette Einstellung der vertraglich vereinbarten Gaslieferungen aus Russland. Die dadurch gestiegenen Kosten bringen Unternehmen wie Uniper in eine Notlage. Uniper muss am Spotmarkt teuren Ersatz beschaffen, damit es seine Verträge erfüllen kann. Das führt zu Liquiditätsproblemen. Die Stadtwerke in Deutschland stellen sich wegen der Energiekrise auf viele Zahlungsausfälle von Kunden ein.
Ab Januar 2023 sollen die ersten Flüssiggasterminals in Wilhelmshaven und Brunsbüttel in Betrieb gehen. Kurzfristig ließe sich dann mit Hilfe der anderen Lieferländer etwa ein Drittel der russischen Gasmenge durch verflüssigtes Erdgas (LNG) ersetzen. Die USA werden in Zukunft voraussichtlich der wichtigste Lieferant für LNG in Deutschland und Europa. Zwei Drittel des Gases in den USA wird mit Fracking gefördert. Beim umweltschädlichen Fracking werden Wasser, Sand und Chemikalien in tiefe Gesteinsschichten gepresst, um diese aufzusprengen und das Gas freizulegen. In Deutschland ist Fracking bisher verboten.
Inflation
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Erst Corona, dann der Krieg in der Ukraine: Der russische Angriff auf die Ukraine sowie Lieferengpässe als Folge der Pandemie haben die bereits angespannte Wirtschaftslage verschärft. Trotz der Entlastungsmaßnahmen hat sich der Anstieg der Verbraucherpreise beschleunigt. Im Jahresdurchschnitt legten die Verbraucherpreise 2022 in Deutschland um 7,9 Prozent zu, so das Statistische Bundesamt. 2021 lag die Inflationsrate noch bei 3,1 Prozent.
Größter Preistreiber ist seit längerem die Energie. Sie verteuerte sich 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 34,7 Prozent, die Kosten waren aber Ende 2022 wieder zurückgegangen. Nahrungsmittel verteuerten sich 2022 um 13,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Im Januar ist die Inflation im Euroraum erneut zurückgegangen. Im Vergleich zum Januar 2022 stiegen die Verbraucherpreise um 8,5 Prozent, teilte das EU-Statistikamt Eurostat in einer ersten Schätzung mit. Energie verteuerte sich im Jahresvergleich um 17,2 Prozent, Lebensmittel, Alkohol und Tabak sind laut Eurostat mit 14,1 Prozent ebenfalls stark gestiegen.
Die aktuelle Inflationsrate liegt in Deutschland im Dezember bei 8,6 Prozent. Nach Angaben der europäischen Statistikbehörde Eurostat lag die Inflationsrate im Euroraum im Dezember bei 9,2 Prozent.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts war die Inflationsrate in Deutschland im November auf 10 Prozent gestiegen. Im Oktober legten die Verbraucherpreise im Vergleich zum Vorjahresmonat um 10,4 Prozent zu. Die Inflation im Euroraum war im Oktober laut Eurostat auf 10,7 Prozent gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahr betrug die Steigerung bei Energie 43 Prozent, Lebensmittel, Tabak und Alkohol verteuerten sich um 20,3 Prozent.
Schon vor dem Ukrainekrieg waren die Preise stark gestiegen, vor allem weil wegen der Corona-Pandemie die weltweiten Lieferketten und damit das Angebot gelitten hatten. Schon im Jahresdurchschnitt 2021 hatten sich vor allem die Energieprodukte verteuert – sie legten gegenüber dem Vorjahr deutlich um 10,4 Prozent zu. Aufgrund der höheren Energiepreise steigen weltweit die Produktions- und Transportkosten. Die Steigerung der Ölpreise hängt unter anderem mit dem sechsten EU-Sanktionspaket zusammen, mit dem sich die EU im Mai 2022 entschieden hatte, rund 90 Prozent der russischen Öllieferungen in die EU zu beenden. Vor allem die Gaspreise stiegen sprunghaft an. Letzteres liegt vor allem daran, dass Russland seine Gaslieferungen nach Europa seit Kriegsbeginn immer weiter reduziert hatte.
Auch die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde ab Oktober 2022, die hohen Energiekosten sowie die anhaltende Euro-Schwäche werden auch in den kommenden Monaten die Preise tendenziell weiter antreiben, wenn auch nicht mehr so stark wie 2022. Zusätzlich wächst das Risiko einer Lohn-Preis-Spirale, da Gewerkschaften bei den Tarifverhandlungen einen Ausgleich für die hohe Inflation fordern.
Die Bekämpfung der Inflation durch höhere Zinsen durch die Europäische Zentralbank (EZB) führt zu höheren Kreditzinsen und somit zu höheren Kosten bei der Kreditaufnahme. Die EZB erhöhte die Leitzinsen im Juni 2022 um 0,5 Prozentpunkte, im September um 0,75 Punkte, im Oktober um 0,75 Punkte, im Dezember um 0,5 Punkte und im Februar 2023 folgte eine weitere Erhöhung um weitere 0,5 Prozentpunkte. Seit dem 2. Februar liegt der wichtigste EZB-Leitzins damit bei 3,0 Prozent. Der Leitzins ist der Zins der Kreditzinsen. Er ist das Instrument Nummer eins der Notenbanken, um die Geldmenge und indirekt die Höhe der Verbraucherpreise zu steuern. Der Zins, zu dem Banken Geld bei der EZB parken können, liegt bei 2,5 Prozent.
Die hohe Inflation schmälert die Kaufkraft von Verbrauchern, weil sich diese dann weniger leisten können. Viele Haushalte müssen Umfragen zufolge ihren Konsum wegen der Preise bereits einschränken. Dabei gilt, dass vor allem einkommensschwache Haushalte unter der Inflation leiden. Sie wurden am stärksten durch die Inflation belastet. Der für sie typische Warenkorb verteuerte sich im Jahresschnitt um 8,8 Prozent.
Sozialverbände drängen die Politik deshalb dazu, Menschen mit wenig Geld schnell zu helfen. Preissteigerungen bei der Haushaltsenergie und bei Lebensmitteln schlagen bei Haushalten mit niedrigeren Einkommen besonders stark durch. Die soziale Schere wird bei den Belastungen noch weiter aufgehen.
Entlastungen
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte angesichts der steigenden Preise immer wieder betont, dass die Bundesregierung die Menschen in Deutschland nicht allein lasse. Deshalb hatte die Bundesregierung bereits zwei Entlastungspakete im Volumen von 30 Milliarden Euro geschnürt. Zudem ist am 4. September 2022 ein drittes Entlastungspaket im Volumen von rund 65 Milliarden Euro von den Koalitionsparteien vorgestellt worden. Die Entlastungspakete (s.u.) sollen ohne zusätzliche Neuverschuldung finanziert werden.
Die Ampel-Koalition will Bürger, Bürgerinnen und Unternehmen zusätzlich mit einem neuen Abwehrschirm entlasten. Jetzt wird die Bundesregierung eine Strompreisbremse und eine Gaspreisbremse einführen. Für den Abwehrschirm stellt die Bundesregierung umfangreiche Finanzmittel in Höhe von bis zu 200 Milliarden Euro zur Verfügung, die aus dem Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds, also mit zusätzlichen Schulden, gespeist werden sollen. Mit den Stimmen der Ampelparteien hat der Bundestag am 21. Oktober 2022 den 200-Milliarden-Abwehrschirm zur Abfederung der hohen Energiepreise beschlossen. Der Bundestag genehmigte dafür zuvor erneut eine Ausnahme von der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse. Wie genau die stark gestiegenen Preise für Gas und Strom mit dem Abwehrschirm gedrückt werden sollen, ist noch offen.
Bundesregierung: Wirtschaftlicher Abwehrschirm gegen die Folgen des russischen Angriffskrieges
Außerdem verzichtet die Bundesregierung darauf, die bislang geplante Gasumlage einzuführen. Mit ihr sollten ursprünglich große Gasversorger wie Uniper vor der Insolvenz bewahrt werden. Angesichts der hohen Gaspreise entlastet die Bundesregierung die Menschen in Deutschland bei der Mehrwertsteuer. Ab Oktober soll die Steuer auf Gasverbrauch und Fernwärme 7 statt wie bisher 19 Prozent betragen.
Gaspreisbremse
Die von der Bundesregierung eingesetzte Gaspreiskommission hat am 10. Oktober 2022 ihr Konzept zur Entlastung der Verbraucherinnen und Verbraucher vorgestellt. Die Vorsitzende der Gaspreiskommission, die Wirtschaftsweise Prof. Dr. Veronika Grimm, hat dabei ein zweistufiges Verfahren vorgestellt, das Sparanreize nicht konterkariere. Gassparen müsse weiterhin oberste Priorität bleiben. Demnach soll der Staat im Rahmen einer kurzfristig umsetzbaren Einmalzahlung die Dezember-Abschlagszahlungen komplett übernehmen. Ab März 2023 greift eine Preisbremse. Am 31. Oktober hat die Experten-Kommission Gas Wärme ihren Abschlussbericht vorgelegt.
- In einem ersten Schritt soll der Staat die Abschlagszahlungen für Gas- und Fernwärme für private Haushalte sowie kleine und mittlere Unternehmen für den Dezember 2022 komplett übernehmen. Als Basis dient der im September 2022 gezahlte Abschlag.
- In einem zweiten Schritt sollen die Gaspreise ab März 2023 bis Ende April 2024 auf 80 Prozent eines geschätzten Grundkontingents auf zwölf Cent pro Kilowattstunde abgesenkt werden. Für die restlichen 20 Prozent der Verbrauchsmenge oberhalb dieses Grundkontingents gilt dann der vertraglich vereinbarte Arbeitspreis. Der Vorschlag soll die beiden Ziele kombinieren, die Verbraucherinnen und Verbraucher zu entlasten und einen Anreiz zum Einsparen von Gas zu erhalten.
- Für die Industrie soll die Gaspreisbremse ab Januar 2023 gelten. Für Unternehmen soll sich das Kontingent an 70 Prozent des Verbrauchs von 2021 orientieren zu einem Beschaffungspreis von sieben Cent pro Kilowattstunde. Darüber wird ebenfalls der vereinbarte Marktpreis fällig. Die Unterstützungen sollen nur für die Unternehmen gewährt werden, die die betroffenen Standorte erhalten.
- Für Fernwärmekunden soll eine Wärmepreisbremse kommen. Analog zum Gaspreis soll es für ein Grundkontingent von 80 Prozent des Verbrauchs einen garantierten Bruttopreis von 9,5 Cent pro Kilowattstunde Fernwärme geben. 66 Milliarden Euro der Gesamtkosten entfallen dabei auf Haushalte und Kleingewerbe und 25 Milliarden Euro auf Unternehmen.
- Vom 1. Januar 2023 bis zum 30. April 2024 soll es einen Soforthilfefonds geben, der sich unabhängig von der Art des Energieträgers an Haushalte mit unteren und mittleren Einkommen richten soll, die die Belastungen nicht selbst stemmen können.
- Mindestens ein halbes Jahr Zeit sollte Privathaushalten gewährt werden, um ihre Energieschulden zu begleichen.
BMWK: Zwischenbericht der ExpertInnen-Kommission Gas und Wärme
BMWK: Abschlussbericht der ExpertInnen-Kommission Gas und Wärme
Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz zur Gaspreisbremse
In ihrem Beschluss vom 21. Oktober 2022 forderte die Ministerpräsidentenkonferenz, die Gaspreisbremse schon zum 1. Januar 2023 einzuführen. Sollten die Energieversorger technisch nicht in der Lage sein, ihre Abrechnungen schon zum 1. Januar umzustellen, sollen die Abschläge rückwirkend angepasst werden.
Bundestag und Bundesrat beschließen Gaspreisbremse
Die Bundesregierung hat am 2. November 2022 den ersten Schritt der Gaspreisbremse beschlossen. Gaskunden sollen, wie von der Gaspreiskommission vorgeschlagen, ein Zwölftel des Jahresverbrauchs von ihren Versorgern ersetzt bekommen. Dafür kann die Abschlagszahlung für Dezember zunächst entfallen oder mit der nächsten folgenden Gas-Abrechnung erstattet werden. Mit der Entscheidung im Bundestag am 10. November 2022 und im Bundesrat am 14. November ist nun die erste Stufe der Gas-Preisbremse mit Entlastungen in diesem Winter beschlossen.
Nach einem Gesetzentwurf des Kanzleramts soll die Gaspreisbremse sogar ab Januar 2023 gelten.
Strompreisbremse
Die Bundesregierung plant, dass für Strom für Haushalte ein Grundkontingent von 80 Prozent des bisherigen Verbrauchs für einen Brutto-Preis von 40 Cent je Kilowattstunde bereitgestellt werden soll. Die Strompreisbremse soll ab Januar 2023 greifen. Zur Mitfinanzierung der Strompreisbremse sollen „Zufallsgewinne“ von Unternehmen auf dem Strommarkt rückwirkend ab 1. September abgeschöpft werden.
Einigung von Bund und Ländern
Bund und Länder haben sich am 2. November 2022 auf Entlastungen für die Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen geeinigt: eine Gas- und Strompreisbremse, eine Reform des Wohngeldes und ein Deutschlandticket für den ÖPNV. Der Bund wird die Länder zudem bei ihren Ausgaben für die Geflüchteten aus der Ukraine unterstützen. Mit ihren Beschlüssen lehnen sich Bund und Länder stark an die Vorschläge der Gaspreiskommission an. Der Bundestag verabschiedete die Gesetzentwürfe für die Energiepreisbremsen am 15. Dezember 2022. Am 17. Dezember hat auch der Bundesrat den gesetzlichen Strom-, Gas- und Wärmepreisbremsen zugestimmt.
- Eine Strom- und Gaspreisbremse soll befristet bis Ende April 2024 eingeführt werden.
- Der Bund übernimmt die Gas-Abschlagszahlungen im Dezember.
- Verbraucherinnen und Verbraucher sowie kleine und mittlere Unternehmen werden spätestens ab März 2023 – eventuell rückwirkend zu Anfang Januar – durch die Gaspreisbremse entlastet. Gaskunden können 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs zum verminderten Gaspreis von 12 Cent pro Kilowattstunde beziehen. Für Wärme gilt ein Preis von 9,5 Cent.
- Für die Industrie soll die Gaspreisbremse 70 Prozent des historischen Verbrauchs betreffen und ab Januar 2023 gelten. Der Preis soll auf netto 7 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt werden.
- Die Strompreisbremse für die Strompreise soll zum 1. Januar 2023 Stromkunden entlasten. Für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie kleine und mittlere Unternehmen soll der Preis bei 40 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt werden. Hier gilt die Entlastung für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs. Für Industrieunternehmen gilt bei Strompreisen eine Deckelung für 70 Prozent des Vorjahresverbrauchs und ein gedeckelter Preis von 13 Cent pro Kilowattstunde.
Zur Mitfinanzierung der Strompreisbremse sollen befristet bis mindestens Ende Juni kommenden Jahres "Zufallsgewinne" von Unternehmen auf dem Strommarkt rückwirkend ab 1. September 2022 abgeschöpft werden. Das betrifft Produzenten von Ökostrom aus Wind und Sonne sowie Gas-, Öl- und Kohleunternehmen sowie Raffinerien, die zuletzt von hohen Preisen an der Börse profitiert haben. - Ein 49 Euro Ticket für den ÖPNV soll nach Möglichkeit zum 1. Januar 2023 kommen.
- Mit der Wohngeldreform wird ab dem 1. Januar der Kreis der Berechtigten deutlich ausgeweitet: Zukünftig werden rund zwei Millionen Haushalte Wohngeld erhalten können.
Überblickspapier der Bundesregierung zur Gas- und Strompreisbremse (PDF)
Pellet- und Ölheizungen
Nach dem Plan der Ampel-Fraktionen sollen Haushalte, die mit Heizöl, Pellets oder Flüssiggas heizen, für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 1. Dezember 2022 rückwirkend entlastet werden. Die Obergrenze soll bei 2.000 Euro pro Haushalt liegen. Der Bund stellt dafür 1,8 Milliarden Euro zu Verfügung, die Auszahlung sollen die Bundesländer organisieren. Voraussetzung sind Heizkosten, die mindestens das Doppelte des Vorjahres betragen – in absoluten Zahlen muss der Zuwachs bei 100 Euro oder mehr liegen. Grundlage ist eine eidesstattliche Erklärung des Antragsstellers zu seiner Brennstoffrechnung. Bei Häusern mit Mietwohnungen soll der Vermieter die Erklärung abgeben und die Entlastung an seine Mieter weitergeben.
Ausgaben für Flüchtlinge
- Der Bund wird den Ländern für ihre Ausgaben für die Geflüchteten aus der Ukraine im Jahr 2023 einen Betrag von 1,5 Milliarden Euro überweisen.
- Der Bund wird die Länder mit einer allgemeinen flüchtlingsbezogenen Pauschale für Geflüchtete aus anderen Staaten in Höhe von 1,25 Milliarden Euro jährlich ab 2023 unterstützen.
Besprechung des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 2. November 2022: Beschluss
Erstes Entlastungspaket
- Die EEG-Umlage auf Strom entfällt zum 1. Juli 2022.
- Der Arbeitnehmerpauschbetrag steigt rückwirkend zum 1. Januar 2022 um 200 Euro auf 1.200 Euro.
- Der Grundfreibetrag wird rückwirkend zum 1. Januar 2022 um 363 Euro auf 10.347 Euro angehoben.
- Die Entfernungspauschale für Fernpendler (ab dem 21. Kilometer) sowie die Mobilitätsprämie steigt rückwirkend zum 1. Januar 2022 auf 38 Cent.
- Heizkostenzuschuss: Beziehende von Wohngeld erhalten 270 Euro (bei einem Haushalt mit zwei Personen: 350 Euro, je weiterem Familienmitglied zusätzliche 70 Euro). Azubis und Studierende im BAföG-Bezug erhalten 230 Euro.
Zweites Entlastungspaket
- Für die Monate Juni bis August 2022 wird die Energiesteuer auf Kraftstoffe abgesenkt. Die Steuerentlastung für Benzin beträgt damit 30 Cent je Liter, für Diesel 14 Cent je Liter.
- Ein 9-Euro-Ticket für die Monate Juni bis August 2022.
- Erwerbstätige, Selbstständige und Gewerbetreibende erhalten eine einmalige Energiepreispauschale von 300 Euro.
- Erwachsene, die Leistungen nach SGB II, SGB XII oder dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommen, erhalten eine Einmalzahlung von 200 Euro.
- Kinder, für die Anspruch auf Kindergeld besteht, erhalten einen Einmalbonus von 100 Euro.
- Kinder, die einen Leistungsanspruch nach SGB II, SGB XII, dem Asylbewerberleistungsgesetz haben, erhalten zudem künftig einen monatlichen Sofortzuschlag von 20 Euro ausgezahlt.
- Für Wohngeldhaushalte wird der Heizkostenzuschuss nach Haushaltsgröße gestaffelt.
Drittes Entlastungspaket
- Für einen Basisverbrauch an Strom soll künftig ein vergünstigter Preis gelten. Für einen zusätzlichen Verbrauch wäre der Preis nicht begrenzt. Diese Strompreisbremse soll die Verbraucher einerseits entlasten, andererseits auch zum Energiesparen motivieren. Die Regelung soll auch für kleine und mittelständische Unternehmen gelten.
- Das Kindergeld soll zum Januar 2023 um 18 Euro monatlich für das erste und zweite Kind steigen.
- Es soll ein Nachfolgemodell für das 9-Euro-Ticket geben. Voraussetzung sei, dass „die Länder mindestens den gleichen Betrag zur Verfügung stellen“. Ziel ist ein „preislich attraktives Ticket“ im Rahmen von 49 bis 69 Euro monatlich.
- Die Besteuerung von Rentenbeiträgen für Arbeitnehmer soll 2023 wegfallen.
- In der Einkommenssteuer soll die sogenannte „kalte Progression“ bekämpft werden.
- Einmalzahlungen oder Boni der Unternehmen für ihre Mitarbeitenden in der Krise sollen bis 3.000 Euro steuerfrei bleiben.
- Studierende und Auszubildende sollen zum 1. Dezember eine einmalige Energiepreispauschale von 200 Euro erhalten. Rentnerinnen und Rentner bekommen eine einmalige Zahlung von 300 Euro, die einkommenssteuerpflichtig ist.
- Mit der geplanten Einführung des Bürgergelds Anfang 2023 sollen die Regelsätze für Bedürftige auf rund 500 Euro erhöht werden.
- Bei den sogenannten Midi-Jobs soll ab 2023 die Grenze, ab der Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden müssen, auf 2.000 Euro angehoben werden.
- Wohngeld: Der Kreis der Wohngeldberechtigten wird auf zwei Millionen Bürgerinnen und Bürger erweitert. Von September bis Dezember 2022 soll einmalig ein Heizkostenzuschuss für die Bezieherinnen und Bezieher von Wohngeld ausgezahlt werden: einmalig 415 Euro für einen Einpersonenhaushalt, 540 Euro für zwei Personen. Für jede weitere Person gibt es zusätzliche 100 Euro.
- Sperrungen von Strom und Gas soll es nicht geben, wenn Kunden trotz Unterstützungsleistungen ihre Energierechnungen nicht bezahlen können.
- Die bestehenden Hilfsprogramme für Unternehmen werden bis zum 31. Dezember 2022 verlängert.
- Übermäßige Gewinne am Strommarkt sollen abgeschöpft werden. Diese „Zufallsgewinne“ sollen für Stromerzeuger gelten, die für die Stromproduktion nicht auf das derzeit sehr teure Gas angewiesen sind. Dazu soll es eine einheitliche europäische Lösung geben. Sollten die anderen EU-Staaten nicht mitziehen, schließt die Bundesregierung einen deutschen Alleingang nicht aus.
Flüchtlinge
Deutschland unterstützt die Ukraine nicht nur mit Waffenlieferungen und Finanzhilfen, sondern hat bisher rund eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen, größtenteils Frauen und Kinder. Eine verlässliche Prognose über die zu erwartende Zahl an Kriegsflüchtlingen ist angesichts der noch immer unübersichtlichen Lage in der Ukraine derzeit nicht möglich.
Ukrainische Staatsbürger können ohne Visum in die Europäische Union einreisen und sich in EU-Mitgliedstaaten des Schengen-Raums frei bewegen. Angesichts des hohen Schutzbedarfs wird die sogenannte „Massenzustrom-Richtlinie“ der EU angewandt, die Geflüchteten aus der Ukraine einen Schutzstatus zuerkennt, ohne dass ein Asylverfahren durchgeführt wird. Sie sieht vor, dass Betroffene bis zu drei Jahre im Land bleiben können.
Bund, Bundesländer, Städte und Kommunen haben Vorkehrungen für die Aufnahme von Flüchtlingen getroffen. Für die Geflüchteten aus der Ukraine standen der Bundesregierung zufolge zunächst insgesamt 200.000 private und öffentliche Unterkünfte in Deutschland zur Verfügung. In vielen Erstaufnahmestellen ist inzwischen die Kapazitätsgrenze erreicht. In der aktuellen Lage müssen wieder zusätzliche Flüchtlingsunterkünfte und kurzfristig Notunterkünfte geschaffen werden. Nun verhängen Länder und Kommunen immer öfter einen Aufnahmestopp. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund so wie auch der Deutsche Städtetag und der Landkreistag fordern einen baldigen Flüchtlingsgipfel von Bund, Ländern und Kommunen, um gemeinsame Lösungen zu suchen. Es werden zusätzliche Kita-Plätze und zusätzliche Plätze in den Schulen benötigt. Auch der Bau von zusätzlichen Unterkünften wird nötig sein.
Grundsätzlich sind auch geflüchtete Kinder und Jugendliche aus der Ukraine schulpflichtig, sobald sie ihren dauerhaften Wohnsitz in Deutschland haben. Bei Weitem nicht alle Kinder, die aus der Ukraine geflüchtet sind, haben in Deutschland einen Schulplatz. Nach Angaben der Kultusministerkonferenz sind bis Ende August 2022 mehr als 163.000 ukrainische Kinder und Jugendliche an allgemein- oder berufsbildenden Schulen aufgenommen worden. Zugleich waren bis Mitte August mehr als 350.000 unter 18-jährige Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine im Ausländerzentralregister gemeldet. In vielen Bundesländern kommen ukrainische Schülerinnen und Schüler zunächst in spezielle Vorbereitungsklassen und bekommen insbesondere Sprachunterricht. Größtes Problem für die Schulen ist nach Darstellung vieler Bundesländer die Gewinnung von zusätzlichem Personal, das oftmals ohnehin schon knapp war.
Grundsätzlich erhalten ukrainische Flüchtlinge eine 18-monatige Aufenthaltserlaubnis mit Verlängerungsoption. Im nationalen Registersystem haben die Kriegsflüchtlinge einen Sonderstatus. Damit können sie z. B. ein Bankkonto eröffnen, arbeiten und sich beim Finanzamt registrieren. Arbeitgeber können ukrainische Angestellte unbürokratisch anmelden. Seit 1. Juni 2022 können auch geflüchtete Ukrainer in Deutschland Hartz IV erhalten. Die Regierung hatte im April entschieden, dass ukrainische Geflüchtete in Deutschland ihre Leistungen nicht mehr nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, sondern nach dem Sozialgesetzbuch II erhalten. Das hat den Vorteil, dass erwerbsfähige ukrainische Geflüchtete nicht mehr von den Sozialämtern betreut werden, sondern von den Jobcentern. Das Ziel ist, die Hilfebedürftigkeit zu überwinden – die Menschen also in Arbeit zu bringen, anstatt sie im Sozialleistungsbezug zu belassen.
Wer privat Menschen aus der Ukraine eine Unterkunft anbieten möchte, kann sein Angebot auf speziellen Webseiten melden. Über folgende Portale können Hilfsbereite Ferienwohnungen oder Zimmer zur Verfügung stellen:
Die neue Jobbörse möchte ferner Geflüchtete aus der Ukraine mit interessierten Unternehmen vernetzen. Bis zu drei Jahre dürfen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in der EU arbeiten:
Wo liegt das Baltikum und wo die GUS-Staaten? Was passierte nach dem Ende der Sowjetunion? Und welche Länder gehören inzwischen zur EU? Informationen zu über 20 Ländern der Regionen Baltikum, Ostmitteleuropa und Südosteuropa.
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Wie ist die EU aufgebaut? Welche Länder gehören zur EU? Wellche würden gerne der EU beitreten? Vor welchen Herausforderungen steht Europa aktuell? Unser Europa-Portal liefert Informationen.
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Letzte Aktualisierung: Februar 2023, Internetredaktion LpB BW