Die Krim
Wechselvolle Geschichte und aktuelle Situation

Die Krim ist eine Halbinsel an der Nordküste des Schwarzen Meeres, die von Nordosten her vom Asowschen Meer umspült wird. Sie liegt im Süden der Ukraine und umfasst die Autonome Republik Krim, Sewastopol und teilweise den Süden der Region Cherson. Über die Jahrhunderte hinweg war die Halbinsel einerseits ein Rückzugsort, ein „Garten“ imperialer und lokaler Herrscher und ein Hafen- und Handelsplatz; andererseits wurde sie immer wieder umkämpft, besetzt oder zerstört. Die Krim gehörte über Jahrhunderte zum Osmanischen Reich, war Sitz des Krim-Khans, Sommerresidenz russischer Zaren, deutscher Okkupanten und sowjetischer Generalsekretäre. Seit 1954 gehörte die Halbinsel zur sowjetischen und seit 1991 zur unabhängigen Ukraine. Seit Ende Februar 2014 sind die Autonome Republik Krim und Sewastopol von regulären russischen Militäreinheiten besetzt und von der Russischen Föderation annektiert.
Autoren: Dr. Oleksandr Donik, Institut für Geschichte an der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine in Kyjiw und Prof. Dr. Rainer Lindner, Historiker an der Universität Konstanz, Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Osteuropäische Geschichte.
Frühgeschichte und Besiedlung der Krim

Die Krim ist seit dem frühen Paläolithikum von Menschen bewohnt; die berühmteste Stätte ist Kiik-Koba, an der die ersten Neandertalerfunde Osteuropas entdeckt wurden. Die ersten von frühen Chroniken erfassten Völker der Krim waren Kimmerer und Taurer, von denen sich auch der Name der Halbinsel – Tavria, Tauris oder Taurien – ableitete. Seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. verlagerte sich das Zentrum des skythischen Staates vom unteren Dnjepr auf die zentrale Krim. In der Region um Simferopol finden sich noch heute Überreste einer historischen Siedlung, die als skythisches Neapel bezeichnet wurde. Ebenfalls aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. datieren antike griechische Kolonien, die an den Ufern des Schwarzen Meeres angelegt wurden und deren bekannteste zweifellos das taurische Chersonesos und Pantikapaion waren.
Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr. entstanden weitere griechische Kolonien an den Ufern der Straße von Kertsch im Bosporanischen Königreich. Seit dem Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. landeten auf der Krim römische Truppen. Unter dem folgenden Ansturm der Barbaren begannen die römischen Legionen die Grenzgebiete und die Krim im 3. Jahrhundert zu verlassen. Die germanischen Goten vertrieben die sarmatischen Stämme aus den Krimsteppen. Die meisten antiken Küstenstädte wurden geplündert oder ganz zerstört.
Mit dem Beginn der europäischen Völkerwanderung wurde das Gebiet der heutigen Ukraine von den Hunnen besetzt gehalten. Die von ihnen besiegten Goten sahen sich gezwungen, an die Donau zu fliehen, um dort Schutz bei ihren ehemaligen Feinden – den Römern – zu suchen. Nach dem Untergang des Römischen Reiches fielen Chersonesos und Pantikapaion an das Byzantinische Reich. Wenig später, nach dem vollständigen Zusammenbruch des Hunnenstaates, zogen marodierenden Truppen von Awaren und Turkstämmen durch die Krimsteppen und belagerten 581 Chersonesos.
Unter diesem Eindruck bildetet die Krim im 6. und 7. Jahrhundert den westlichen Rand des westtürkischen Kaganats. Nach dessen Zusammenbruch geriet die umkämpfte Halbinsel in den Besitz nomadischer Bulgaren, die jedoch alsbald auf der Krim von den Chasaren besiegt und vertrieben wurden.
Auch die Kiewer Fürsten zeigten ab dem 9. und 10. Jahrhundert Interesse an der Schwarzmeerregion und weiteten ihre militärischen Feldzüge auf die Küstenstädte der Krim aus. Fürst Wladimir der Große wurde in Chersonesos getauft, kehrte dann aber nach Kiew zurück und taufte die Kiewer Bürger im Jahr 988 in den Wassern des Dnjepr.
Die Krim im Osmanischen Reich

Die Krim wurde im 13. Jahrhundert jedoch wie ganz Südosteuropa der tatarisch-mongolischen Invasion unterworfen. Hier entstand ein Verwaltungszentrum (Jurte) der Goldenen Horde. Auch der Handel hielt solchermaßen Einzug in der Region. Die Krim-Emire ermöglichten es u. a. italienischen Kaufleuten aus Venedig und Genua, ihre Handelskolonien an der Küste zu errichten, von denen die bekanntesten Sudak, Kafa und Cembalo waren.
Zur gleichen Zeit bildete sich in den Ausläufern der südlichen Krim das christliche Fürstentum Theodoro, zentriert auf die Festung Mangup. 1441 wurde auf der Halbinsel ein unabhängiges Krim-Khanat gegründet, als ein Befürworter der Unabhängigkeit von der Horde Hadschi I. Geray zum Khan gewählt wurde.
1475 landeten türkische Truppen auf der Halbinsel, eroberten die genuesischen Kolonien und eroberten auch das Fürstentum Theodoro. Drei Jahre später musste das Krim-Khanat seine Untertanenschaft als Vasall des Osmanischen Reiches anerkennen. Die Änderung seiner außenpolitischen Orientierung führte zu räuberischen Feldzügen der Truppen des Khans auf ukrainischem Boden. Seinen ersten großen Feldzug unternahm Mengli Geray 1482, als Kiew niedergebrannt und seine Kirchen geplündert wurden.
Seitdem waren Razzien, Plünderungen und Versklavung auf der Krim an der Tagesordnung. Vor allem die Nogaier Horden, die die Steppen der nördlichen Schwarzmeerregion kontrollierten, sorgten für erhebliche Zerstörungen, was fast drei Jahrhunderte schwerwiegende Folgen für die Bewohner der Region hatte. Die Gefangennahme und der Verkauf von Sklaven, der auf den Märkten des Osmanischen Reiches stattfand, sowie die Plünderungen von Städten und Dörfern machten neben der Landwirtschaft einen wesentlichen Teil der Wirtschaft des Krim-Khanats aus.
1571 weitete der Krim-Khan seine Macht nach Norden in das Moskauer Fürstentum aus. So griffen 40.000 Tataren in diesem Jahr Moskau an, das sie eroberten und niederbrannten. Zar Iwan IV. – bekannt als Iwan der Schreckliche – floh aus der Hauptstadt und versprach, dem Krim-Khan Tribut zu zahlen – eine Steuer, die erst unter Peter I. wieder abgeschafft wurde.
Die Moskauer Herrscher begannen im 12. Jahrhundert einen Kampf mit den Osmanen um den Zugang zum Schwarzen Meer. Es gab mehrere Feldzüge zarischer Truppen auf der Krim, die sich gegen das Osmanische Reich wandten. Während des Prut-Feldzuges von Peter I. im Jahr 1711 wurde seine Armee von den Türken umzingelt und besiegt.
Militärische Unternehmungen auf die Krim wurden von den Zaporoger Kosaken im 16. und 17. Jahrhundert organisiert, die einen verzweifelten Kampf gegen die Tataren führten und die lokale Landbevölkerung vor den verheerenden Überfällen der Nomaden schützten. Die bekanntesten von ihnen wurden von dem ukrainischen Hetman P. Sahaidachny und Ataman I. Sirko angeführt.
Während des nationalen Befreiungskrieges der Ukraine unter der Führung von Bohdan Chmelnyzkyj gegen die polnisch-litauische Adelsrepublik Rzeczpospolita (1648–1657) trat der Krim-Khan wiederholt als Verbündeter auf. Insbesondere die tatarische Kavallerie spielte bei den Siegen der Kosakenarmee eine bedeutende Rolle, vor allem in der ersten Phase der Konfrontation mit Polen.
Die Krim unter russischer Herrschaft

Das Russische Imperium unter Katharina II. setzte im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts die Etablierung seiner Präsenz am Schwarzen Meer fort. Es kam zu einer militärischen Konfrontation mit dem Osmanischen Reich und seinen Verbündeten auf der Krim. Infolge des Russisch-Türkischen Krieges von 1768 bis1774, der mit dem Friedensvertrag von Kütschük Kainardschi endete, erlangte das Krim-Khanat die Unabhängigkeit vom türkischen Sultan. Da die Krim jetzt nominell unabhängig war, geriet sie infolge der türkischen Niederlage in den Bestand des Russischen Imperiums. Bereits 1778 deportierten die Russen fast alle Christen, vor allem Griechen und Armenier, gewaltsam von der Krim auf das Festland in die Steppe der südlichen Ukraine.
Das Krim-Khanat wurde 1783 nach dem Manifest von Katharina II. annektiert und zum Teil des Russischen Reiches erklärt. Die meisten Krimtataren (ca. 300.000 Menschen) verließen ihre Heimat und zogen an die Grenzen des Osmanischen Reiches. Gleichzeitig führte die zarische Regierung Privilegien für Einwanderer aus dem Norden ein und versuchte, die Halbinsel zu kolonisieren und zu russifizieren. Nach der ersten gesamtrussischen Volkszählung von 1897 machten die Russen jedoch lediglich 33 % aus. Die Mehrheit stellten die Krimtataren mit 36 %. Ukrainer machten Ende des 19. Jahrhunderts 12 % der Bevölkerung der Krim aus, Deutsche 6 %, Juden 4 % und Griechen 3 %.
Während des Krimkrieges (1853–1856) kämpften die Truppen des Russischen Reiches erfolglos gegen eine alliierte Koalition aus Osmanischem Reich, Großbritannien, Frankreich und dem Königreich Sardinien um die Vorherrschaft im Nahen Osten und auf dem Balkan. Russlands Niederlage im Krieg ließ seine militärische und wirtschaftliche Rückständigkeit hinter den führenden europäischen Ländern offen zu Tage treten und zwang die zarische Regierung unter Alexander II. zu systemischen Reformen, um das Reich zu modernisieren.
Die Krim in der Sowjetunion
Mit dem Niedergang des Russischen Reiches im Jahr 1917 auf dem Territorium der Halbinsel proklamierten die Tataren Krymsk als eigenständige Region innerhalb der Ukrainischen Volksrepublik. Am 9. Dezember 1917 wurde in der traditionsreichen Stadt Bachtschyssaray der Kurultai (Kongress) des krimtatarischen Volkes eröffnet, der ein nationales Parlament – den Medschlis – und eine Regierung – das Direktorium – unter der Leitung von Noman Çelebicihan bildete. Bereits im Januar 1918 wurde die Krim jedoch von der bolschewistischen Armee annektiert.
Doch die Ukraine leistete Widerstand. Im April 1918 besetzten Truppen der Armee der Ukrainischen Volksrepublik unter der Führung von Petro Bolbotschan die Halbinsel. Dieser hatte von der zu dieser Zeit bereits wankenden deutschen Reichsregierung den Befehl erhalten, die Krim von den Bolschewiki zu befreien und Sewastopol einzunehmen. Die Schwarzmeerflotte, die seit dem Krimkrieg in der Bucht von Sewastopol stationiert war, sollte zum Bestandteil der ukrainischen Streitkräfte werden. Doch infolge des deutschen Ultimatums an die Ukrainische Volksrepublik wurde die Halbinsel im Sommer 1918 zunächst dem deutschen Kommando unterstellt.1919 geriet die Krim erneut unter die Besatzung der Bolschewiki. Im Folgejahr unterwarf sich die Weiße Bewegung unter General Denikin die Halbinsel. Nach der Vertreibung der Reste seiner Truppen unter der Führung des Generals Pjotr Wrangel, der noch versucht hatte, eine demokratisch legitimierte Herrschaft auf der Krim zu errichten, wurde die Halbinsel ab 1921 endgültig den Bolschewiki unterworfen und am 18. Oktober als Autonome Sozialistische Sowjetrepublik Krim innerhalb der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (RSFSR) gegründet.

Während des Zweiten Weltkriegs besetzten Truppen der Deutschen Wehrmacht zwischen 1941 und 1944 die Krim. Hitler hing der Vorstellung an, die Halbinsel als ehemaliges Land der „gotischen Deutschen“ direkt in das „Dritte Reich“ einzugliedern. Nach der Befreiung der Krim, die während der Besatzungszeit enorme Zerstörungen erfuhr, deportierte die sowjetische Regierung im Mai 1944 fast 200.000 Krimtataren sowie andere nationale Minderheiten (Bulgaren, Armenier, Griechen) in die östlichen Regionen der Sowjetunion.
Die zeitweise Kollaboration von Teilen der Bevölkerung der annektierten Krim mit den Besatzern wurden zur Grundlage für das stalinistische Regime, um eine solche Strafaktion zu begehen. Auch aus diesem Grund wurde der Status einer autonomen Republik abgeschafft und das „Gebiet Krim“ als Teil der RSFSR geschaffen. Ausgenommen wurden 1948 Sewastopol und die dort stationierte Schwarzmeerflotte. Die Stadt wurde direkt der Union und damit der politischen und militärischen Kontrolle der Sowjetunion unterstellt.
Übergabe der Krim an die Ukraine
Am 19. Februar 1954 verabschiedete das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR unter Berücksichtigung der gemeinsamen Wirtschaft, der territorialen Nähe, der engen wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen der Krim und der Ukraine, der Position der Regierungen der RSFSR und der Ukrainischen SSR zusammen mit Sewastopol ein Dekret „Über die Übergabe der Krimregion von der RSFSR an die Ukrainische SSR“.
Nicht zufällig fand die Veranstaltung zeitgleich zum 300. Jahrestag des Vertrages von Perejaslaw von 1654 statt, der von der sowjetischen Propaganda als Ursprungsdatum des Anschlusses der ukrainischen Kosaken-Ukraine an das russische Imperium verstanden wurde. Die Krim wurde damit jedoch erstmals zum integralen Bestandteil des ukrainischen Territoriums, was auch in der Verfassung der Ukrainischen SSR von 1978 verankert wurde. Zu dieser Zeit, zehn Jahre nach Kriegsende, befand sich die Krim jedoch in einem verheerenden Zustand. Auch die Deportation der Krimtataren verschärfte die Krise zusätzlich, insbesondere in der Landwirtschaft.
Das wichtigste wirtschaftliche Projekt, das der Entwicklung der Krim einen großen Impuls geben sollte, war das Projekt, Wasserkanäle vom Dnjepr auf die Halbinsel zu bauen, auf der seit Jahrhunderten ein Mangel an Trinkwasser herrschte.
Die Rückkehr der Krimtataren auf die Krim setzte nach dem Ende des Stalinismus in den 1960er Jahren ein. Der Staat schränkte die Massenrückführung jedoch durch administrative Maßnahmen ein. Im November 1989 erklärte der Oberste Sowjet der UdSSR die Deportation der Krimvölker für illegal und kriminell. Zu dieser Zeit setzte die Rückkehr der Tataren in ihre Heimat ein.
Ungeachtet der Zugehörigkeit zur Ukrainischen SSR wurde sowohl auf der Krim als in der spätsowjetischen Ukraine die Russifizierungspolitik des Zentrums noch einmal verstärkt. Erst am 20. Januar 1991 wurde im Kontext der Perestroika auf der Krim ein Referendum abgehalten, wodurch die Krim wieder in den Status einer autonomen Republik versetzt wurde, während Sewastopol den Status einer Stadt der zentralen Unterordnung behielt. Kurz vor dem Ende der Sowjetunion machte ein Gesetz am 12. Februar 1991 sie sogar noch zur Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik Krim innerhalb der Ukrainischen SSR. Doch diese bestand nur noch auf dem Papier, während die Ukraine zur Unabhängigkeit strebte.
Die Autonome Republik Krim in der unabhängigen Ukraine

Nach der Proklamation der Unabhängigkeit der Ukraine erhielt die Autonome Republik Krim am 4. September 1991 ihre Souveränität, „um einen legalen demokratischen Staat innerhalb der Ukraine zu schaffen“. Gleichzeitig nahmen die Bewohner der Halbinsel Krim am 1. Dezember 1991 am gesamtukrainischen Referendum teil. Über die Hälfte (54,19 %) der Wähler der Krim und 57,07 % der Wähler von Sewastopol unterstützten hierbei die staatliche Unabhängigkeit der Ukraine.
Am 5. Mai 1992 unternahmen die prorussischen Krim-Behörden ihren ersten Versuch, sich von der Ukraine zu lösen, indem sie das „Gesetz über die Erklärung der staatlichen Unabhängigkeit der Republik Krim“ auf der gesamten Halbinsel Krim verabschiedeten und ein Referendum anordneten. Am 13. Mai 1992 erkannte die Werchowna Rada der Ukraine diesen Akt als verfassungswidrig an; am 21. Mai wurde er von der Werchowna Rada der Krim aufgehoben.
Der nächste Versuch, sich von der Ukraine zu trennen, wurde 1994 während der Amtszeit des „Präsidenten der Republik Krim“ Juri Meschkow (1994–1995) durchgeführt, als das Krimparlament eine Resolution „Über die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Grundlagen der Staatlichkeit der Republik Krim“ verabschiedete, die die Verfassung der Krim in der Fassung vom 6. Mai 1992 wieder in Kraft setzte und „selbständig Beziehungen zu anderen Staaten und Organisationen“ einzugehen erlaubte.
Diese Resolution wurde ebenfalls von der Werchowna Rada der Ukraine am 18. Mai 1995 aufgehoben. Bereits im März 1995 wurde auch das Amt des Präsidenten der Krim gestrichen, unter der Bedingung, „die Verfassung und die Gesetze der Autonomen Republik Krim mit der Verfassung und den Gesetzen der Ukraine in Einklang zu bringen“. Der neue Status der Krim als Autonomie innerhalb der Ukraine wurde in der Verfassung der Ukraine (1996) und der Verfassung der Autonomen Republik Krim (1998) gesetzlich verankert.
Mit der Unterzeichnung des ukrainisch-russischen Vertrags über Freundschaft, Zusammenarbeit und Partnerschaft am 30./31. Mai 1997 durch die Präsidenten Leonid Kutschma und Boris Jelzin wurden u. a. die Buchten von Sewastopol für die Stationierung der Flotten beider aufgeteilt. Während der Konfrontation um die Schwarzmeerflotte beanspruchte Russland 80 % der Schiffe. Die meisten wurden aus dem Schwarzen Meer abgezogen und auf an andere russische Flottkontingente verteilt.
Um die Mitte der 1990er Jahre stellte die russische Außenpolitik zunächst die offene Unterstützung des Krim-Separatismus ein. Diese Aufgabe übernahmen jetzt prorussische nationalistische Kräfte wie die Organisation „Brüderschaft“, die weiterhin von Russland indirekt unterstützt wird. Zusätzlich wurde in den öffentlichen russischen Medien massive Kritik an der prowestlichen Politik der Ukraine betrieben, insbesondere im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit der NATO, die seit 2005 im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden auch militärische Übungen im Schwarzen Meer durchführte.
Am 21. April 2010 unterzeichneten die Präsidenten Russlands Dmitri Medwedew und der Ukraine Wiktor Janukowitsch die Charkiwer Vereinbarungen über die Verlängerung des Pachtvertrags von Stützpunkten der Schwarzmeerflotte der Russischen Föderation auf der Krim um weitere 25 Jahre (nach 2017) mit der Möglichkeit einer Verlängerung um weitere fünf Jahre bis 2042 bzw. 2047. Doch schon bald sollte Russlands neoimperiale Politik unter Präsident Putin nach der Krim greifen.
Völkerrechtswidrige Besetzung und Annexion der Krim

Die separatistische Bewegung auf der Krim, die von Russland unterstützt wurde, erhielt während des Maidan und der Revolution der Würde in Kiew zwischen Dezember 2013 und Februar 2014 weiteren Aufschwung. So beschloss das Präsidium der Werchowna Rada der Krim am 4. Februar 2014 eine Autonomie des Parlaments, die Frage der Änderung der Verfassung der Krim und die Forderung Russlands nach Garantien für die Rechte der Bewohner der Halbinsel in Betracht zu ziehen.
Das Datum des Beginns der Besetzung der ukrainischen Verwaltungseinheiten – der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol – durch die Russische Föderation ist der 20. Februar 2014, als die unangekündigte „militärische Spezialoperation“ gestartet wurde. Auf den Verbindungsstraßen vom ukrainischen Festland auf die Krim wurden Kontrollpunkte eingerichtet und die Durchfahrt blockiert. Für die Beschlagnahmung staatlicher Institutionen und militärischer Einrichtungen der Ukraine auf der Krim wurden Spezialkräfte des Geheimdienstes der Russischen Föderation, Einheiten der Luftlandetruppen und des tschetschenischen Bataillons „Wostok“ sowie „Kosaken“-Verbände und sogenannte „lokale Selbstverteidigungskräfte“ aus Russland eingesetzt.
Vor allem Spezialkräfte in Militäruniform ohne Hoheitszeichen, sogenannte „kleine grüne Männchen“, bewaffnet mit den neuesten Waffen, besetzten Flughäfen und lokale Behörden. Sie blockierten ukrainische Militäreinheiten und forderten ihre Kommandeure auf, ihre Waffen abzugeben und auf die Seite des „Krim-Volkes“ überzulaufen.
Die Krim-Garnisonen der ukrainischen Armee, die von Präsident Janukowitsch zuvor systematisch reduziert worden waren, wurden blockiert. Alternative „Behörden“ wurden unter russischer Aufsicht geschaffen. Mitte März 2014 war die Besetzung der Krim durch russische Truppen abgeschlossen. Die ukrainischen Truppen, die zuvor ihre Stützpunkte und Standorte gehalten hatten, ergaben sich kampflos. Die meisten ehemaligen Soldaten der ukrainischen Streitkräfte (hauptsächlich Einheimische und Einwohner) blieben jedoch auf der Krim.
Am 16. März wurde mit Unterstützung der russischen Armee ein illegitimes „Referendum über den Status der Krim“ abgehalten, das von der Ukraine, der EU und den Vereinigten Staaten nicht anerkannt wurde. Demnach wurde unter Verstoß gegen das Völkerrecht beschlossen, die Krim an Russland anzuschließen. Am 18. März 2014 verabschiedete die Staatsduma der Russischen Föderation den „Vertrag über den Beitritt der Krim zur Russischen Föderation“. Am 21. März 2014 unterzeichnete Wladimir Putin ein Dekret, das diesen Vertrag ratifizierte und der Krim den Status eines „Föderalen Bezirks innerhalb der Russischen Föderation“ verlieh.
Am 27. März 2014 stimmte die UN-Generalversammlung mit Stimmenmehrheit für eine Resolution, die die Unverletzlichkeit der territorialen Integrität der Ukraine anerkennt und das „Referendum über den Status der Krim“ für ungültig erklärte. 100 UN-Mitgliedstaaten stimmten für die Resolution, 11 Staaten stimmten dagegen.
Die Besetzung der Halbinsel ist international nicht anerkannt und wird als Akt der illegalen Annexion infolge bewaffneter Aggression gegen die Autonome Republik Krim und Sewastopol betrachtet. Es handele sich völkerrechtlich um „vorübergehend von Russland besetzte Gebiete der Ukraine“. Russland hat seinerseits auf der Krim sogenannte „Subjekte der Russischen Föderation“ geschaffen: die „Republik Krim“ und „Stadt von föderaler Bedeutung Sewastopol“.
Die Reaktionen der Völkergemeinschaft war eindeutig. In den Jahren 2014 und 2015 wurde ein System internationaler Sanktionen für die Anerkennung der Krim als Teil Russlands und für Versuche eingeführt, die illegale Besetzung der Halbinsel zu legalisieren.
Innerhalb von fünf Jahren hat Russland 140.000 russische Staatsbürger auf die Krim umgesiedelt und damit die numerische Zahl der Befürworter der Annexion auf der Halbinsel erhöht. Neben humanitären Problemen führte die Umsiedlung u. a. zu einer Verschärfung der Wasserknappheit. Entscheidend war jedoch, dass die Halbinsel in einen mächtigen russischen Militärstützpunkt umgewandelt wurde.
Mit dem Beginn der großangelegten Invasion russischer Truppen in der Ukraine am 24. Februar 2022 und der darauf folgenden russischen Besetzung von Teilen der ukrainischen Regionen Cherson, Saporischschja und Donezk eroberte Russland einen Landkorridor vom russischen Festland auf die Krim. Zuvor war bereits die Krim-Brücke in annektierten Gewässern errichtet worden, die Russland zur Versorgung der Halbinsel nutzte.
Gleichzeitig wurden ab Sommer 2022 die Kampfhandlungen auf das Territorium der Krim verlagert, wo es regelmäßig zu Explosionen in russischen Militäreinrichtungen und Versorgungslagern kommt. Zahlreiche russische Krimbewohner verlassen seither die Halbinsel, offenbar auch in Reaktion darauf, dass Russland nicht mehr ihre Sicherheit garantieren kann.
Zusätzlich geraten die russischen Besatzungstruppen auf der Krim durch wiederholte Explosionen in der Bucht von Sewastopol unter Druck, bei denen Schiffe der russischen Schwarzmeerflotte beschädigt oder versenkt wurden. Die wiederholten Explosion auf der Kertsch-Brücke zeigen darüber hinaus, dass die logistische Versorgung der Krim verwundbar ist.
Nachdem die ukrainischen Streitkräfte Ende vergangenen Jahres Cherson befreit und die russische Armee auf das linke Ufer des Dnipro zurückgedrängt hatten, begannen die russischen Behörden, die Verteidigungsstellungen auf der gesamten Krim zu verstärken: Sie verminten die Küste der Krim, hoben Gräben aus und bildeten Betonbarrieren.
Die Krim ist seit dem Untergang der Sowjetunion ein offener Streitgegenstand zwischen der Ukraine und Russland. Für Russland ist sie ein historisch überfrachtetes Symbol und gleichermaßen ein strategischer Stützpunkt für die Schwarzmeerflotte. Für die Ukraine ist die Krim schlicht ein Teil ihres Staatsgebietes, das sie nicht Russland zu überlassen gedenkt. Die russischen Behörden behaupten, die Krim sei ein „integraler Bestandteil Russlands“ und versprechen eine „angemessene Reaktion“ auf „alle Ansprüche“ auf die Halbinsel.
Die ukrainischen Behörden haben zugleich ernsthafte Absichten, die Krim als integralen Bestandteil des von der Mehrheit der internationalen Gemeinschaft anerkannten Territoriums der Ukraine wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Vieles spricht dafür, dass der Krieg zwischen Russland und der Ukraine erst enden wird, wenn die Krim-Frage entschieden ist.
Literatur
Literatur
- Fisher, Alan: Between Russians, Ottomans, and Turks. Crimea and Crimean Tatars, Istanbul 2010.
- Glyn Williams, Brian: The Hidden Ethnic Cleansing of Muslims in the Soviet Union: The Exile and Repatriation of the Crimean Tatars, in: Journal of Contemporary History Vol. 37, No. 3 (July, 2002), pp. 323–347.
- Jobst, Kerstin S.: Die Perle des Imperiums. Der russische Krim-Diskurs im Zarenreich, Konstanz 2007.
- Kunz, Norbert: Die Krim unter deutscher Herrschaft 1941–1944. Germanisierungsutopie und Besatzungsrealität, Darmstadt 2005.
- Lindner, Rainer: Ukraine und Russland: Die Krim als neuer Konfliktherd im Schwarzmeerraum, in: Hans-Henning Schröder (Hrsg.), Die Kaukasus-Krise. Internationale Perzeptionen und Konsequenzen für deutsche und europäische Politik, SWP-Studie 2008, Berlin, S. 20–23.
- Magocsi, Paul Robert: This Blessed Land. Crimea and the Crimean Tatars, Toronto 2014.
- Sasse, Gwendolyn: The Crimea Question: Identity, Transition, and Conflict, Cambridge 2007.
- Schönle, Andreas: Garden of the Empire: Catherine's Appropriation of the Crimea, in: Slavic Review Vol. 60, No. 1 (Spring, 2001), pp. 1–23.
Karte der Ukraine

Seit zehn Jahren ist die Krim – auf Ukrainisch Krym, auf Krimtatarisch Qırım – von Russland annektiert. In Reaktion auf die Euromaidan-Proteste und die Absetzung des damaligen Präsidenten Janukowytsch besetzten russische Spezialeinheiten Ende Februar 2014 die politischen Schaltstellen der Schwarzmeerhalbinsel und installierten moskautreue Statthalter. Kurz darauf verkündete der russische Präsident Putin die „Wiedervereinigung“ mit der Krim. Inzwischen hat sich gezeigt, dass die Annexion nur der Anfang war: Vor zwei Jahren griff Russland die gesamte Ukraine an. Warum hat die Krim für beide Länder so eine Bedeutung? Wie lebt es sich heute auf der besetzten Halbinsel? Und welche Rolle spielen die Krimtataren? Diesen und weiteren Fragen diese APuZ-Ausgabe der BpB nach:
Unser umfangreiches Dossier zum Krieg in der Ukraine informiert über die aktuellen Entwicklungen und bietet zahlreiche Analysen und Hintergrundinformationen rund um den Konflikt Russlands mit der Ukraine und dem Westen.

„Wir haben jetzt einen Krieg in Europa in einer Größenordnung, wie wir ihn nur aus der Geschichte kennen”, so NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Wie konnte es dazu kommen? Mit welchen Folgen ist zu rechnen?
Wo liegt das Baltikum und wo die GUS-Staaten? Was passierte nach dem Ende der Sowjetunion? Und welche Länder gehören inzwischen zur EU? Informationen zu über 20 Ländern der Regionen Baltikum, Ostmitteleuropa und Südosteuropa.

Wie ist die EU aufgebaut? Welche Länder gehören zur EU? Wellche würden gerne der EU beitreten? Vor welchen Herausforderungen steht Europa aktuell? Unser Europa-Portal liefert Informationen.
Lesen Sie weiter ....
- Der Ukraine-Konflikt
- Chronik des Ukraine-Krieges
- Zeitenwende in Deutschland
- Kriegsverbrechen in der Ukraine
- Internationale Bedeutung des Ukraine-Konflikts
- Analysen zum Krieg in der Ukraine
- Folgen des Krieges
- Ursachen des Krieges
- Russland und die Ukraine
- Russland und China
- Ukraine und NATO, EU
- Die Halbinsel Krim
- Politisches System Ukraine
- Wirtschaft der Ukraine
- Geschichte der Ukraine
Mit Kinder über den Krieg sprechen:
Auf unserem „Informationsportal östliches Europa"
gibt es ferner weiterführende Informationen über die
weitere Konflikte: