Wie kam es zum Mauerfall?

Mehrere Faktoren und Entwicklungen machten letztlich 1989 den Fall der Mauer und damit die Vereinigung Deutschlands möglich. So erzwangen die Reformen des sowjetischen Staatspräsidenten Michail Gorbatschow, die Wirtschaftskrise, die Massenflucht der Menschen in den Westen und die friedlichen Demonstrationen der DDR-Bürgerinnen und -Bürger das Ende der DDR-Diktatur.

Die Mauer hatte 28 Jahre lang die politische Spaltung Deutschlands und Europas zementiert. Sie war weltweit das Symbol für den Kalten Krieg, der die Welt politisch in eine östliche und eine westliche Hemisphäre spaltete. Sie wurde zu einem Symbol für den Bankrott einer Diktatur, die ihre Existenz nur dadurch zu sichern vermochte, dass sie ihre Bevölkerung unterdrückte und einsperrte.

Die friedliche Revolution von 1989 fegte das Regime hinweg und erzwang den Fall der Mauer. Ein Jahr später war Deutschland, 41 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik, wieder vereinigt.

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Reformen Gorbatschows: Glasnost und Perestroika

Mit der Wahl Michail Gorbatschows 1985 zum Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) änderte sich langsam die Politik in der UDSSR. Gorbatschows Reformen, Perestroika (Umbau) und Glasnost (Offenheit) sollten das stalinistische System in der Sowjetunion erneuern. Seine innenpolitischen Absichten dabei waren technischer Fortschritt, Kampf gegen Korruption, die Schließung verlustreicher Unternehmen, weniger Bürokratie und eine Verbesserung der Konsumgüterversorgung. Außenpolitisch wollte Gorbatschow Abrüstungsmaßnahmen, Entspannungspolitik und eine wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Westen erreichen.

Im Januar 1987 kritisierte er in einer programmatischen Rede die Fehler der KPdSU und forderte eine demokratische Umgestaltung von Partei und Gesellschaft. Entscheidend dabei war die Aufhebung der „Breschnew-Doktrin“. Damit sicherte Gorbatschow den Ostblock-Staaten außerhalb der UdSSR zu, deren Eigenständigkeit zu achten sowie in keinem Fall militärisch einzugreifen und öffnete  faktisch den Weg zur Demokratisierung dieser Staaten. Als erste Staaten führten Polen und Ungarn politische Reformen durch.

In der DDR hielt die SED-Regierung an ihrem starren Kurs fest. Viele DDR-Bürger jedoch nahmen jeden Fortschritt in den „Bruderstaaten“ wahr und verbrachten ihren Urlaub in den Reformländern.

Für die SED wurde diese Entwicklung zum heiklen Problem. Dieser politische Zwiespalt gipfelte in einem Verbot der sowjetischen Zeitschrift „Sputnik “ im November 1988. Das neue Denken sollte nach dem Willen der Staatsführung erst gar nicht um sich greifen. Diese über eine Zensur weit hinausgehende Maßnahme stieß in der Bevölkerung, aber auch unter vielen Parteimitgliedern auf Unverständnis und Entrüstung. Die Kritik an der Parteiführung wuchs. Eine wachsende Mehrheit von Menschen in der DDR erkannte: Die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse können auf Dauer nicht so bleiben!

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Krise in der Wirtschaft

Kurz vor dem Mauerfall stand die DDR vor dem wirtschaftlichen Ruin. Das ökonomische Modell der zentralistischen Planwirtschaft war nicht aufgegangen. Grundprinzip war dabei die zentrale Planung und Lenkung von Produktion und Verteilung der Güter. Produktionsmittel und Bankwesen waren in Staatshand. Einige wenige Wirtschaftsbereiche wie Raumfahrt und Rüstung erzielten zwar Spitzenleistungen, grundsätzlich wurden aber zu wenig weltmarktfähige Güter produziert. Produkte und Rohstoffe, die es im östlichen Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) nicht gab, mussten gegen harte Devisen importiert werden.

Aus Angst vor Unruhen wagte die DDR-Führung nicht, die subventionierten Preise für Mieten und Grundnahrungsmittel, Dienstleistungen und Verkehrsmittel anzuheben. Am Ende wurde mehr als ein Viertel des Staatshaushalts für Preissubventionen eingesetzt - die DDR lebte über ihre Verhältnisse. Jahrzehntelang lebte die DDR-Wirtschaft von ihrer Substanz. Die Staatsausgaben waren höher als die Einnahmen aus den wenigen produktiven Bereichen.

Die meisten Produktionsanlagen waren in einem katastrophalen Zustand, das Straßen- und Schienennetz im Wesentlichen auf dem Stand vor dem Zweiten Weltkrieg. Die Produktivität der DDR erreichte nur in etwa ein Drittel des Niveaus der Bundesrepublik. Überdies hemmten die Kosten eines überdimensionierten Militär-, Sicherheits- und Staatsapparats die wirtschaftliche Entwicklung.

Für Umweltschutz fehlte das Geld. Den Zustand der Umwelt bezeichneten viele als ökologisches Desaster. Bitterfeld galt als „dreckigste Stadt Europas“. Flugasche breitete sich vielerorts in der Luft aus, viele Flüsse und Seen waren verschmutzt. Der Rückgriff auf die heimische Braunkohle, die rund 70 Prozent der Primärenergie erzeugte, machte die DDR zum größten Kohlendioxidverschmutzer in Europa.

Schon 1953 war die ökonomische Lage in der DDR so schlecht und die Versorgung der Bevölkerung mit dem Lebensnotwendigsten so schwierig, dass die sowjetische KPdSU (Kommunistische Partei der Sowjetunion) eine deutliche Kursänderung von der SED verlangte. Um die wirtschaftliche Situation zu verbessern, sahen Partei und Regierung nur einen Möglichkeit: Es musste mehr produziert werden bei geringeren Kosten. Am 14. Mai 1953 beschloss das Zentralkomitee der SED die Erhöhung der Arbeitsnormen um 10 Prozent. Dagegen rebellierten die Menschen im Volksaufstand vom 17. Juni 1953.

Anfang der 60er Jahre wuchsen die Versorgungsprobleme der DDR und täglich flüchteten mehr Menschen, das Land blutete aus, zu dem Arbeitskräftemangel kam auch der Abfluss von Waren aller Art und der illegale Geldumtausch, der die Währung schwächte. Das Ende der DDR schien nahe. Daraufhin erfolgte der Bau der Berliner Mauer.

Das ursprüngliche Ziel der Staatsführung war, aus einer leistungsschwachen Wirtschaft innerhalb weniger Jahre ein effizientes wirtschaftliches System zu schaffen. Allerdings gab es immer wieder Spannungen im gesamten Wirtschaftssystem und herbe Rückschläge. Die Produktionspläne konnten nicht mehr erfüllt werden.

In den Siebzigern kam es zu empfindlichen Versorgungsschwierigkeiten, vor allem in der Zulieferindustrie. Unter dem Eindruck der anschwellenden Wirtschaftskrise wurden die 1963 begonnenen Wirtschaftsreformen zur Jahreswende 1970/71 schließlich abgebrochen.

Auch ein umstrittener Milliardenkredit aus Bayern sorgte Anfang der 80er Jahre nur für eine kurze Atempause in der DDR, nachdem die UDSSR ihre Erdöllieferungen an die DDR drosselte. Das staatliche Überleben wurde erst durch westliche Kredite sichergestellt. Die Westverschuldung der DDR nahm der Staatsführung zufolge im Mai 1989 pro Monat um 500 Millionen Deutsche Mark zu. Hätte sich diese Entwicklung fortgesetzt, wäre der Staat 1991 zahlungsunfähig gewesen.

Es war nicht zu erwarten, dass sich der Lebensstandard in absehbarer Zeit hätten verbessern lassen. Dies war einer der entscheidenden Gründe für die Unzufriedenheit der Bevölkerung, die zu Massenausreise und Massenprotest führte.

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Massenflucht aus der DDR

Rund 2,7 Mio. Menschen hatten zwischen 1949 und 1961 die DDR und Ost-Berlin in Richtung Westen verlassen. Zwischen August 1961 und September 1989 flüchteten knapp 95.000 Menschen. In den 28 Mauerjahren verzeichneten die Behörden 35.000 Gewaltakte an der Mauer. Die DDR führte 250.000 politische Verfahren, zum größten Teil wegen „Republikflucht“, seit 1957 war das Verlassen der DDR der Straftatbestand: „Republikflucht“. Mindestens 138 Menschen verloren allein an der Berliner Mauer ihr Leben.

Am 9. Januar 1989 flüchteten neun DDR-Bürger in die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin, um die Ausreise zu erzwingen. Ungarn kündigte am 2. Mai 1989 den Abbau des „Eisernen Vorhangs“, der Grenzsicherungsanlagen an der Grenze zu Österreich, an und begann mit den Arbeiten.

Im Sommer 1989 kam es zu regelrechten Massenflucht-Aktionen. Tausende DDR-Bürger flüchteten in die bundesdeutschen Botschaften in Prag, Warschau und Budapest. Die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin musste wegen Überfüllung vorübergehend ihren Publikumsverkehr einstellen, am 19. September wurde auch die Botschaft in Warschau geschlossen.

Fast 700 DDR-Bürgerinnen und -Bürger nutzten ein „Paneuropäisches Picknick“ am 19. August im grenznahen St. Margareten im Burgenland und in Sopron, um über die Grenze nach Österreich zu flüchten. In einem symbolischen Akt wird das Grenztor für drei Stunden geöffnet.

In der überfüllten Prager Botschaft verkündete Bundesaußenminister Hans Dietrich Genscher am 30. September, dass die Ausreise der dort versammelten DDR-Flüchtlinge genehmigt sei. In den nächsten Tagen fuhren mehrfach Züge mit insgesamt 17.000 Flüchtlingen von Prag über die DDR in die Bundesrepublik, da die Prager Botschaft mehrmals erneut besetzt wird. Am 4. Oktober kommt es bei der Durchfahrt durch den Dresdner Hauptbahnhof zu Ausschreitungen, als Tausende Dresdner versuchen, in die Züge zu gelangen.

Am 3. November erlaubte die DDR-Regierung eine direkte Ausreise der DDR-Bürger über die Grenze zur Tschechoslowakei in die Bundesrepublik. Innerhalb von zwei Tagen kamen rund 23.000 Flüchtlinge über die Tschechoslowakei in die Bundesrepublik.

Als die Mauer am 9. November fiel, waren insgesamt bereits mehr als 220.000 Übersiedler aus der DDR in der Bundesrepublik angekommen.

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Proteste in der Gesellschaft

Viele DDR-Bürger waren unzufrieden mit der Situation in ihrem Staat. Diejenigen, die nicht flüchteten, versuchten ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen. Mit der gewaltsamen Niederschlagung des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 wurden „Demonstrationen“ jedoch auf systemkonforme Kundgebungen begrenzt.

Beatbewegung und Friedensgruppen

Eine erste Protestkultur entstand unter den Jugendlichen der DDR mit der Beatgeneration Anfang der 60er-Jahre. Mitte der 60er Jahre hatte die SED-Führung die zunächst tolerierte Beatbewegung entgültig verboten, Beatkonzerte wurden abgesagt, viele Bands durften nicht mehr auftreten, Fans wurden kriminalisiert. Das weckte bei den Jugendlichen Widerstand. Immer wieder kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen ihnen und der Polizei. Am bekanntesten wurde der Leipziger Beat-Aufstand 1965. Mehr als 300 Jugendliche protestierten gegen das Verbot mehrerer Bands. 267 Menschen wurden festgenommen. Doch der Beat ließ nicht verbieten. Ihm folgten weitere Musikrichtungen und die mit ihnen einhergehenden jugendlichen Subkulturen.

Ende der 1970er- Anfang der 1980er-Jahre entstanden Kultur-, Friedens- und Umweltgruppen. Die evangelische Kirche wurde in diesen Jahren zu einer Fluchtburg für bedrängte und systemkritische Christen und Nichtchristen. In Berlin wurden zwischen 1979 und 1987 sogenannte Bluesmessen veranstaltet. Zeitweilig kamen bis zu 9.000 religiöse und nicht religiöse Jugendliche zu den Konzerten, die von Gebeten, Texten und einer unkonventionellen Predigt unterbrochen wurden.

Neben Gruppierungen wie der „Offenen Arbeit“ entstand in der evangelischen Kirche auch die Friedensbewegung. Unter dem biblischen Motto „Schwerter zu Pflugscharen“ sammelten sich Anfang der 1980er-Jahre bis zu einhunderttausend Jugendliche, um gegen das Wettrüsten in West und Ost zu protestieren. Das Symbol der kirchlichen Friedensbewegung wurde ein Aufnäher, der einen Schmied zeigte, wie er ein Schwert zu einer Pflugschar umschmiedet. Dieser Aufnäher wurde verboten und seine Träger verfolgt.

Montagsdemonstrationen

Ende der 80er Jahre hatte die „Friedliche Revolution“ ihren Lauf genommen. Im Anschluss an das traditionell stattfindende Montagsgebet in der Nikolaikirche in Leipzig kam es seit etwa Mitte August 1989 zu immer größeren Demonstrationen - den so genannten Montagsdemonstrationen - in der Innenstadt. 

Bereits am 1. September 1989, dem Weltfriedenstag, gehen in den kleinen Städten Neuruppin (nördlich von Berlin) und Forst (bei Cottbus) Menschen auf die Straße. Vor allem junge Menschen fordern die Öffnung der Grenzen. Ihre Parolen lauten unter anderem „Friedensbrücken statt Friedensgrenzen“.

Unter dem Dach der evangelischen Kirche organisierten sich Friedens- und Ökogruppen, die ihre Forderung nach Freiheit für Andersdenkende durch Gorbatschows Reformkurs bestärkt sahen. Die Demonstrationen breiteten sich auch auf andere Städte aus. In dieser Zeit wurde auch der bekannt gewordene Ruf „Wir sind das Volk!“ geprägt, der später von vielen zu „Wir sind ein Volk!“ umgeformt wurde.

Das brutale Vorgehen der Polizei gegen Leipziger Demonstranten am 11. September schürte die offenen Proteste um so mehr an. Viele der vor allem jungen Demonstranten wurden von Polizisten verprügelt und festgenommen. In zahlreichen Kirchen im ganzen Land versammelten sich Menschen zu Fürbittgottesdiensten für die inhaftierten Aktivisten.

In Rostock fand seit dem 5. Oktober 1989 jeden Donnerstag eine Mahnwache für die inhaftierten Leipziger Demonstranten statt. Mitte Oktober 1989 versammeln sich hier schon Tausende Menschen, um nach dem Vorbild der Leipziger Montagsdemonstrationen für eine Demokratisierung des Landes einzutreten. Große Protestdemos finden am 7. Oktober, dem 40. Jahrestag der DDR, unter anderem auch in Dresden, Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) und Gera statt.

9.10.1989: Tag der Entscheidung

Der 9. Oktober 1989 galt als „Tag der Entscheidung“ in Leipzig. 70.000 Menschen demonstrierten friedlich für Reformen. Die DDR-Sicherheitsbehörden griffen nicht ein. Die unerwartet große Zahl der Demonstranten brach den Handlungswillen der Sicherheitsorgane.

Bei einer Kundgebung auf dem Alexanderplatz in Ost-Berlin am 4. November 1989 demonstrierten zwischen 500.000 und einer Million Menschen für demokratische Reformen und gegen das Machtmonopol der SED in der DDR. Das Fernsehen hatte die Abschlußveranstaltungen auf dem Alexanderplatz direkt und unangekündigt übertragen.

Nach Öffnung der Mauer am 9. November 1989 sank die Zahl der Menschen, die gegen das DDR-System protestierten. Auf Demonstrationen nach dem 9. November formierte sich ein immer stärker werdender Wille zur Wiedervereinigung Deutschlands.

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