Extremismus: Geschichte und Kritik des Begriffs

Den Begriff Extremismus gibt es schon seit der Antike. Inzwischen erfreut er sich wachsender Beliebtheit – gilt dabei jedoch als zunehmend unscharf. Denn ganz unterschiedliche inhaltliche Positionen, Phänomene oder Gruppierungen werden als „extremistisch“ bezeichnet.
So ist zum Teil die Rede von einem „Kampfbegriff“, der dazu beitrage, „den Charakter gesellschaftlicher Probleme wie Rassismus und Rechtsradikalismus zu verschleiern“. Die Inhalte auf dieser Seite gehen der Frage nach, woher der Begriff kommt, warum er umstritten ist und welche anderen Konzepte .
Geschichte des Extremismusbegriffs
Bereits Aristoteles nutzte den Begriff
Die Geschichte des Wortes bzw. des Begriffs „Extremismus“ kann bis in die griechische Antike zurückverfolgt werden. Der Politikwissenschaftler Armin Pfahl-Traubhber zeichnet die Verbindungslinie in spätere Zeiten nach:
„Der Begriff des politischen Extrems geht auf die altgriechische Maßethik zurück, welche bei Handlungen ein Zuviel und ein Zuwenig als Abweichungen von einer Mitte unterschied. Platon übertrug diese Kategorie auf seine Staatsformenlehre und gab ihr damit eine politische Bedeutung. Auch bei Aristoteles findet man eine Verbindung der ethischen Auffassung von Mitte mit dem politischen Plädoyer für einen Staatstyp. Beide Philosophen traten mit unterschiedlicher Ausrichtung für die Etablierung von gemäßigten politischen Ordnungssystemen auf Basis einer Mischverfassung ein und lehnten Despotie ebenso wie Pöbelherrschaft als extreme Abweichungen davon ab. Dieses Verständnis spielte danach erst wieder in der Neuzeit eine Rolle im politischen Diskurs. Seitdem nutzte man den Begriff ,Extremismus‘ häufig in politischen Umbruchphasen, um damit die Protagonisten eines besonders rigiden Vorgehens zu bezeichnen.“
Extremismusbegriff ab 1970
Um die heutige Diskussion in Deutschland besser verstehen zu können, gilt es, die Dynamik der Begriffsgeschichte seit den 1970er-Jahren nachzuzeichnen. In der Nachkriegszeit wurden demokratiefeindliche Bestrebungen zunächst häufig mit den Begriffen „totalitär“ oder „radikal“ bezeichnet. Dies zeigte sich auch noch 1972 bei der Einführung der Regelüberprüfung der Verfassungstreue bei der Einstellung in den Öffentlichen Dienst, mit der verhindert werden sollte, dass Verfassungsfeinde beschäftigt werden. Für das umstrittene Verfahren setzte sich die Bezeichnung „Radikalenerlass“ durch.
Doch in den 1970er-Jahren begann sich in der Wissenschaft, in den Medien, vor allem aber in den Behörden die Verwendung der Begriffe nach und nach zu verändern. Dies führte bis Mitte des Jahrzehnts dazu, dass der Extremismusbegriff den Radikalismusbegriff beinahe komplett verdrängt hatte. Vor allem die Verfassungsschutzbehörden prägten fortan den Begriff „Extremismus" in ihren Berichten. Mit dem Radikalismusbegriff bezeichnen die Verfassungsschutzbehörden hingegen auf der Skala der politischen Einstellungen die Zwischenzone zwischen den demokratischen und den extremistischen Einstellungen.
In der Gegenwart hat sich der Extremismusbegriff in politischen Debatten und in der Öffentlichkeit weithin durchgesetzt. Er wird allerdings unterschiedlich verwendet, mitunter auch synonym oder bewusst abweichend zur Verwendung des Begriffs „Radikalismus“.
Extremismusbegriff in Gesellschaft und Politik

Der Extremismusbegriff erfreut sich in den vergangenen Jahren einer wachsenden Beliebtheit in Politik, Gesellschaft und Medien. Er wird vermehrt verwendet, um aktuelle Entwicklungen, Organisationen und Einzelpersonen zu bezeichnen.
Das liegt auch an aktuellen Ereignissen: Rechtsterroristische und islamistische Terrorangriffe erschüttern Deutschland und Europa mit dem Ziel, Angst und Schrecken zum begleitenden Lebensgefühl der Menschen zu machen. Auch aus Deutschland reisten Jugendliche nach Syrien, um dort für den Islamischen Staat (IS) zu kämpfen. Die Ausschreitungen während des G20-Gipfels in Hamburg 2017 rückten zudem den Linksextremismus verstärkt in den Fokus. Schließlich wurde die Öffentlichkeit nach dem Mord an einem Polizisten seit 2016 verstärkt auf „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ aufmerksam. Und Bewegungen wie „Pegida“ oder „Querdenken“, die erst in den vergangenen Jahren entstanden sind, werden ebenfalls unter der Frage verhandelt, ob und in welchem Maße sie extremistisch sind.
Verwendung des Extremismusbegriffs in politischen Debatten
Der Extremismusbegriff wird im politischen Raum hauptsächlich als Fremdbezeichnung verwendet, um politische Einstellungen zu bezeichnen, aber auch um politische Gegner zu stigmatisieren und zu diskreditieren.
Der Extremismusbegriff dient auch als Kampfbegriff zur Herabsetzung des politischen Gegners. So versucht die Alternative für Deutschland (AfD) durch ihre parlamentarischen Anfragen immer wieder, Bündnis 90/Die Grünen, die SPD oder DIE LINKE – oder zumindest Teile von ihnen – in die Nähe von Linksextremisten zu rücken. Umgekehrt werfen besonders die genannten Parteien der AfD inhaltliche Überschneidungen mit und personelle Verbindungen zu Rechtsextremisten vor (unabhängig von der konkreten Beurteilung der Verfassungsschutzbehörden).
Diese zunehmend lauter vorgetragenen gegenseitigen Vorwürfe und Bezichtigungen zeigen, dass mit dem Extremismusbegriff Politik gemacht wird und politische Gegner mit dem Stigma des Extremismus in der Öffentlichkeit diskreditiert werden sollen. Siehe hierzu beispielsweise die Kleinen Anfragen:
- 16/4736 („Teilnahme baden-württembergischer Rechtsextremisten an Ausschreitungen in Chemnitz“)
- 16/4879 („,Identitäre Bewegung‘ in Baden-Württemberg“)
- 16/3806 („Überfall in Mannheim“).
Immer öfter ein Schlagwort im Landtag
Ein Blick in die Parlamentsdokumentation des Landtags von Baden-Württemberg bestätigt diese Beobachtung durch konkrete Zahlen. So finden sich zum Schlagwort „Extremismus“ von der 12. Legislaturperiode bis zur 15. Legislaturperiode (1996–2016) jeweils 23 bis 74 Drucksachen zu diesem Thema. In der 16. Legislaturperiode (2016–2021) steigt die Anzahl sprunghaft an auf 218 Drucksachen. In der 17. Legislaturperiode seit dem 1. Mai 2021 liegt die Zahl bislang bei 157 (Stand: Ende August 2024). Die Zahlen können als Befund für eine zunehmende Bedeutung dieses Themas gedeutet werden.
Verwendung des Extremismusbegriffs in gesellschaftlichen Debatten
Diskussion als Symptom der Verunsicherung?
Die zunehmende Diskussion über den Extremismusbegriff kann auch als Ausdruck einer in Teilen der Gesellschaft vorherrschenden Verunsicherung gesehen werden, die auf unterschiedliche gesellschaftliche und globale Entwicklungen zurückgeführt werden kann, beispielsweise die globalen Migrationsbewegungen oder die zunehmende Verflechtung auf wirtschaftlicher, kultureller und politischer Ebene. Zusammen mit einer seit Jahrzehnten anhaltenden gesellschaftlichen Individualisierung ist in Teilen der Gesellschaft der Wunsch nach vermeintlich bekannten und bewährten politischen Konzepten und einfachen, eindeutigen Antworten auf drängende Fragen der Gegenwart gewachsen.
Eine solche Frage wäre beispielsweise, wer sich in der „Mitte“ der Gesellschaft befindet und somit ein Teil eben jener ist, und wer nicht. Hierbei kann der Extremismusbegriff bzw. die mit ihm verbundenen Konzepte und Definitionen helfen, da der Begriff eine vermeintlich klarere Beschreibung der Gesellschaft und eine individuelle Verortung anbietet.
Beispiel: Debatte um die Band Frei.Wild
Beispiel: Debatte um die Band Frei.Wild
Ein prominentes Beispiel für die Diskussion über den Extremismusbegriff sind die Auseinandersetzungen um die Südtiroler Band „Frei.Wild“, die im Jahr 2016 für ihr Album „Opposition“ sogar mit dem Echo ausgezeichnet wurde. Die Band steht seit Jahren aufgrund ihrer Texte und der Vorgeschichte eines Bandmitglieds in der Kritik; ihre politische Verortung wird zum Teil sehr kontrovers und emotional diskutiert.
Die Band distanzierte sich selbst in öffentlichen Äußerungen stets von jeglichem Extremismus. Daneben werden im offiziellen Online-Shop der Band Aufnäher zum Kauf angeboten mit Botschaften wie „Frei.Wild gegen Rassismus und Extremismus“ oder „Wir sind nicht braun und auch nicht rot, Du Vollidiot“. Trotz dieser Aussagen riss die Kritik an der Band nicht ab, und in der Frage, ob die Band als extremistisch anzusehen ist, herrscht bis heute keine Einigkeit.
So kommt der Publizist Klaus Farin in seinem Buch „Frei.Wild: Südtirols konservative Antifaschisten“ zu einem entlastenden Urteil. Farin wurde für seine Interpretation allerdings stark kritisiert. Siehe beispielsweise: https://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2015/06/24/freispruch-fuer-frei-wild_19608 [01.05.2019].
Extremismusbegriff in der Wissenschaft

„Wer sich mit politischem Extremismus in Deutschland (aber auch anderswo) auseinandersetzt, wird zwangsläufig mit folgender bemerkenswerter Paradoxie konfrontiert: Allerorten besteht Konsens in der Anerkennung und Verteidigung der Demokratie, doch an kaum einem Thema entzünden sich derart scharfe Kritiken und Kontroversen wie an dem des politischen Extremismus. So findet die der Extremismustheorie zugrundeliegende vergleichende Autokratie- bzw. Diktaturforschung in Politik und Wissenschaft weithin Anwendung. Sie determiniert nicht zuletzt außenpolitisches Handeln (z. B. bei EU-Beitrittsverhandlungen), auch wenn Einordnungen, ob ein Staat als demokratisch oder autokratisch gilt, nicht immer eindeutig sind (z. B. die Ukraine). Das Extremismuskonzept sieht sich hingegen dem Vorwurf ausgesetzt, Vergleiche und unklare Grenzziehungen würden zur Stigmatisierung politischer Gegner missbraucht – der Terminus sei ein politischer Kampfbegriff und deshalb wissenschaftlich unbrauchbar.“
Mit diesen Sätzen stecken Tom Mannewitz, Hermann Ruch, Tom Thieme und Thorsten Winkelmann, die Herausgeber des 2018 erschienenen Handbuchs „Was ist politischer Extremismus? Grundlagen, Erscheinungsformen, Interventionsansätze“, bereits in der Einleitung das Spannungsfeld ab, auf dem sich die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Extremismus abspielt.
Im Folgenden geben wir einen Überblick über den kontrovers diskutierten Extremismusbegriff in der Wissenschaft und gehen auf die Kritik an diesem Begriff ein.
Normatives Extremismuskonzept
Als eigenständiges Forschungsfeld begann sich die Extremismusforschung in den späten 1960er-Jahren zu entwickeln. Dieser Prozess dauerte bis Ende der 1970er-Jahre an. Wichtige Forschungszentren in dieser Zeit waren die Universität zu Köln und die Universität Bonn. Hier erschienen zum Beispiel die Standardwerke „Ideologien des Rechtsradikalismus im Nachkriegsdeutschland“ (1961) und „Theorie des Rechtsradikalismus in westlichen Industriegesellschaften“ (1967).
Die Entwicklung eines umfassenderen Konzepts erfolgte aber erst in den 1980er-Jahren durch die Politikwissenschaftler Uwe Backes und Eckhard Jesse, die die Vergleichende Extremismusforschung etablierten. Nach Auffassung von Vertretern dieser Forschungsrichtung handelt es sich beim Extremismuskonzept explizit nicht um eine Theorie, die etwas erklären kann oder will, sondern es dient dazu, ein bestimmtes Phänomen zu beschreiben. Unter Extremismus verstehen die Vertreter dieses „normativen Extremismuskonzepts“ eine Sammelbezeichnung:
„Der Begriff des politischen Extremismus soll als Sammelbezeichnung für unterschiedliche politische Gesinnungen und Bestrebungen fungieren, die sich in der Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaates und seiner fundamentalen Werte und Spielregeln einig wissen.“
Politischer Extremismus wird somit als Widerpart zum demokratischen Verfassungsstaat definiert und kann als „Abgrenzungsbegriff“ gesehen werden, der sich auf ganz unterschiedliche politische Phänomene bezieht, die sich ideologisch zwar stark unterscheiden, aber formale Gemeinsamkeiten in der Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaates aufweisen.
Der Politikwissenschaftler Armin Pfahl-Traugbher erläutert diese „Negativdefinition“ von Extremismus:
„Diese Begriffsbestimmung von Extremismus setzt die Definition des demokratischen Verfassungsstaates voraus. Demnach wird hier zunächst nicht politischer Extremismus, sondern dessen erklärtes Gegenteil bestimmt.“
Er hebt hervor:
„Die Gemeinsamkeiten bestehen in der Ablehnung der Minimalbedingungen eines demokratischen Verfassungsstaates. Insofern nimmt dieses Verständnis entgegen anderslautender Fehldeutungen auch keine Gleichsetzung der gemeinen Bestrebungen vor.“
Kritik am Extremismusbegriff in der Wissenschaft
Die unterschiedliche Verwendung des Extremismusbegriffs und die vermeintlichen Synonyme wie Faschismus oder Populismus führen zu einer zunehmenden Unschärfe. Ganz unterschiedliche inhaltliche Positionen, Phänomene oder Gruppierungen werden als „extremistisch“ bezeichnet.
Die Politikwissenschaftler Christoph Kopke und Lars Rensmann wiesen bereits im Jahr 2000 auf diese Probleme hin und beschrieben den Extremismusbegriff als einen „politischen Kampfbegriff“, der mit dazu beigetragen hat, „den Charakter gesellschaftlicher Probleme wie Rassismus und Rechtsradikalismus zu verschleiern“. Diese Unschärfe erschwert ihren Ausführungen zufolge die pädagogische Auseinandersetzung mit den Ursachen und Problemen. Welche anderen Konzepte darüber hinaus existieren, zeigt diese Seite.
Das Extremismusmodell, wie es von Uwe Backes und Eckhard Jesse seit den 1980er-Jahren entwickelt wurde, stieß bereits damals auf Kritik. Im Kern bestehen diese Kritikpunkte bis heute.
Die wichtigsten Kritikpunkte gegen das Extremismusmodell:
- Normativer und vager Begriff
Das beschriebene Phänomen werde über die Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaats definiert. Konkrete empirisch bestimmbare Positivdefinitionen blieben weitestgehend aus. - Eindimensionalität
Aus der Diskussion um Normativität abgeleitet, wird dem Begriff eine Eindimensionalität vorgeworfen, die letztlich die politische Realität nicht in ausreichendem Maße abbilde. - Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus
Der Begriff rufe eine Gleichsetzung unterschiedlicher Phänomene (besonders des Rechts- und Linksextremismus) hervor. Dies führe zur Verharmlosung oder zumindest zu einer Gleichsetzung. Den Vertretern des normativen Extremismusbegriffs wird von ihren Kritikern außerdem vorgeworfen, den Rechtsextremismus zu bagatellisieren. - Unterkomplexität
Außerdem wird dem Extremismusbegriff eine Unterkomplexität vorgeworfen, weil er die komplexen gesellschaftlichen und sozialen Ursachen und Wirkungen nicht berücksichtigen könne. Durch die Verortung von Extremisten an den Rändern der Gesellschaft und der Konstruktion einer demokratischen „Mitte“ der Gesellschaft könne es zu einer Idealisierung der „Mitte“ kommen. So bestehe die Gefahr, dass gesellschaftliche Probleme marginalisiert und dethematisiert würden, oder dass legitime Kritik am Zustand des demokratischen Systems als illegitim wahrgenommen werden könne.
Alternativen zum Begriff des Extremismus
In Teilen der Extremismusforschung besteht Unzufriedenheit über die theoretischen und politischen Implikationen des Extremismusbegriffs. Als Konsequenz entwickelten sich besonders im Bereich der empirischen Sozialwissenschaft alternative Begriffe und Konzepte.
Konzept der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (GMF)
Pädagogische Zugänge in der politischen Bildungsarbeit
Das in den letzten Jahren wohl einflussreichste Konzept heißt „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“, abgekürzt GMF. Unter GMF fasst man unterschiedliche Formen der Abwertung von konstruierten Menschengruppen zusammen. GMF beschreibt die pauschale Ablehnung einer Person oder Personengruppe allein schon deshalb, weil sie nicht zur eigenen Gruppe gerechnet wird, mithin eine fremde, eine vermeintlich andere Gruppe ist. Eine Ideologie der Ungleichwertigkeit verbindet die Ausprägungen des GMF-Syndroms.
Auf dieser Seite erklären wir das Konzept GMF ausführlicher.
Radikalismus / Radikalisierung
Radikalismus, genauer Radikalisierung, beschreibt den individuellen Prozess der Hinwendung zu antidemokratischen Positionen. Vor allem die islamistischen Anschläge Anfang der 2000er-Jahre und die dadurch zunehmende wissenschaftliche und behördliche Beschäftigung mit islamistischem Terrorismus haben den Begriff der „Radikalisierung“ in den Fokus gerückt.
Totalitarismus, Faschismus, Populismus
Ebenso wie der Begriff des Radikalismus dienen auch andere Begriffe als Alternative zum Extremismus. So ist beispielsweise statt vom Rechtsextremismus in Teilen von Wissenschaft und Gesellschaft weiterhin vom (Neo-)Faschismus oder vom Totalitarismus die Rede. Mit dem anhaltenden Erfolg populistischer Gruppierungen und Parteien in Europa kam der Begriff des Populismus zum Teil ebenfalls als Synonym dazu.
Ist das GMF-Konzept für die Bildungsarbeit besser geeignet?
Pädagogische Zugänge in der politischen Bildungsarbeit

„Aufgabe der Bildungsarbeit ist es, den Zusammenhang zwischen Vorurteilen und vereinfachten Weltbildern und deren Umsetzung in grausamen Taten aufzuzeigen. Ziel dieser Auseinandersetzung ist es, in Jugendlichen die Überzeugung zu stärken, dass alle Menschen – unabhängig von Herkunft, Religion, Hautfarbe und sozialem Status – gleichermaßen wertvoll sind.
Für diese Auseinandersetzung greift der klassische Extremismusbegriff, wie ihn die Ämter für Verfassungsschutz für ihre Arbeit verwenden, zu kurz. Er beschreibt aktive Bestrebungen, die sich gegen den demokratischen Verfassungsstaat richten – religiös begründeter Extremismus etwa wird dabei als gesellschaftliches Randphänomen beschrieben, die Mehrheitsgesellschaft dagegen als demokratische Mitte. Dass bestimmte extremistische Positionen auch aus der Mitte der Gesellschaft erheblichen Zuspruch erfahren, wird in diesem Konzept nicht berücksichtigt.“
„Für die pädagogische Arbeit bietet es sich daher an, den Extremismusbegriff durch das Konzept »Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit« (GMF) zu ersetzen.“
Zitat aus: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit - eine Einführung (kostenfreie PDF), S. 50, Autor: Felix Steinbrenner
Quellen zur Begriffsgeschichte und Begriffsalternativen
Quellen zur Begriffsgeschichte und Begriffsalternativen
- Christoph Kopke/Lars Rensmann: Die Extremismus-Formel. Zur politischen Karriere einer wissenschaftlichen Ideologie, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 45 (2000), Nr. 12, S. 1541-1462, Zitat S. 1462.
- Uwe Backes: Politische Extreme. Eine Wort- und Begriffsgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart, Göttingen 2006.
- Eckhard Jesse: Grundlagen, in: ders./Tom Mannewitz (Hrsg.): Extremismusforschung. Handbuch für Wissenschaft und Praxis, Baden-Baden 2018, S. 23-58, Zitat S. 30f.
- Jan Ackermann/u.a.: Metamorphosen des Extremismusbegriffes. Diskursanalytische Untersuchungen zur Dynamik einer funktionalen Unzulänglichkeit, Wiesbaden 2015.
- https://www.verfassungsschutz.de/de/service/glossar [04.01.2019].
- Sven Reichhardt: Radikalisierung. Zeithistorische Anmerkungen zu einem aktuellen Begriff, in: Geschichte und Gesellschaft 43 (2017), S. 68-91
- http://www.bpb.de/apuz/164918/radikalisierung-deradikalisierung-und-extremismus [18.02.2019]
- https://www.idaev.de/fileadmin/user_upload/pdf/publikationen/Reader/2018_IDA_Extremismusmodell.pdf
Begriffskritik: Eckhard Jesse: Grundlagen, in: ders./Tom Mannewitz (Hrsg.): Extremismusforschung. Handbuch für Wissenschaft und Praxis, Baden-Baden 2018, S. 23-58
Tom David Uhlig / Eva Berendsen / Katharina Rhein (Hrsg.): Extrem unbrauchbar. Über Gleichsetzungen von links und rechts, Berlin 2019.