Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen
15. Mai 2022
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Nur eine Woche nach der Landtagswahl in Schleswig-Holstein wählten die Bürgerinnen und Bürger Nordrhein-Westfalens am 15. Mai 2022 ein neues Landesparlament. Aus der Wahl im bevölkerungsreichsten Bundesland ging die CDU um Ministerpräsident Wüst mit deutlichem Vorsprung als Wahlsiegerin hervor. Viele sehen in der Wahl auch einen Stimmungstest für die Politik der Ampel-Koalition im Bund.
Vorläufiges Ergebnis
Landtagswahl Nordrhein-Westfalen (Stand: 16.5.2022)
Das vorläufige Ergebnis der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen liegt vor: Die CDU um Ministerpräsident Hendrik Wüst gewinnt die Wahl mit deutlichem Vorsprung vor der SPD. Für die Sozialdemokraten markiert der Wahlausgang die nächste herbe Enttäuschung. Bereits in der Vorwoche hatten sie bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein starke Verluste zu verkraften. Als weitere Gewinner der Wahl dürfen sich hingegen die Grünen fühlen: Zweistellige Zugewinne bescherten ihnen ein Rekordergebnis. FDP und AfD verzeichneten zwar Verluste, ziehen aber erneut in den nordrhein-westfälischen Landtag ein.
Die CDU erhielt 35,7 Prozent der abgegebenen Stimmen und verteidigt damit ihre Spitzenposition. Auch Dank eines Zugewinns von 2,1 Prozentpunkte ging der Wahlsieg letztlich klarer an die CDU als dies die Umfragen vor der Wahl erwarten ließen. Dass das von manchen erwartete Kopf-an-Kopf Rennen letztlich ausblieb, ist jedoch auch auf die Schwäche der SPD zurückzuführen. 26,7 Prozent bedeuten für die Sozialdemokraten ein historisch-schwaches Ergebnis. Gegenüber der Wahl 2017 verliert die SPD 4,6 Prozentpunkte. Weiter im Aufwind befinden sich dagegen die Grünen. Ein Ergebnis von 18,2 Prozent und Zugewinne von 11,8 Prozentpunkten machen sie zu den heimlichen Gewinnern des Wahlabends. Auf die FDP trifft dieses Attribut hingegen nicht zu. Zwar ist sie mit 5,9 Prozent auch weiterhin im Düsseldorfer Landtag vertreten, doch hat sie mit einem Verlust von 6,7 Prozentpunkten stark eingebüßt. Die AfD ist mit 5,4 Prozent (-1,9) auch künftig im Landtag vertreten.
Hinsichtlich der Koalitionsmöglichkeiten erschien ein Bündnis zwischen den Wahlsiegern von CDU und Grünen bereits am Wahlabend zunächst als die naheliegendste Option. Am 31. Mai gaben die beiden Parteien die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen bekannt. Im Juni folgte die Einigung auf die Bildung der ersten Schwarz-Grünen Koalition in Nordrhein-Westfalen.
Sitzverteilung im Landtag
Laut Landeswahlleiter besteht der neue Landtag aus 195 Abgeordneten. Die CDU erhält 76 Sitze (+4 Sitze im Vergleich zur Wahl 2017), die SPD 56 Sitze (-13), die Grünen 39 Sitze (+25), sowie FDP (-16) und AfD (-4) jeweils 12 Sitze.
Wahlbeteiligung
Rund 13,2 Millionen Menschen waren am 15. Mai 2022 dazu aufgerufen, den neuen Landtag Nordrhein-Westfalens zu wählen. Von dieser Möglichkeit machten allerdings so wenig Menschen Gebrauch wie nie zuvor bei einer Landtagswahl in Nordhrein-Westfalen. Die Wahlbeteiligung lag bei lediglich 55,5 Prozent — und damit um fast zehn Prozentpunkte niedriger als 2017.
Die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten
Der Ministerpräsident
Hendrik Wüst ist erst seit Oktober 2021 Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. In diesem Amt folgte er auf den ehemaligen CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet, der seine Kandidatur mit einem Wechsel von der Landes- in die Bundespolitik verbunden hatte. Wüst ist studierter Jurist und arbeitete zwischen 2000 und 2005 für die Lobbyagentur EUTOP. Nach seinem erstmaligen Einzug in den Düsseldorfer Landtag im Jahr 2005, war er ab 2006 auch Generalsekretär der CDU in Nordrhein-Westfalen. 2010 musste er diesen Posten aufgrund seiner Verwicklung in die sogenannte Sponsoring-Affäre allerdings wieder aufgeben. Zwischen 2010 und 2017 war Wüst Vorsitzender des nordrhein-westfälischen Landesverbandes der Deutschen Zeitungsverleger. Nach der Landtagswahl 2017 wurde er Verkehrsminister von Nordrhein-Westfalen.
Die Herausforderer
Mit Spitzenkandidat Thomas Kutschaty möchte die SPD den Status als stärkste Fraktion zurückerobern. Der Jurist ist seit 2005 Mitglied des Landtages von Nordrhein-Westfalen und seit 2018 Vorsitzender der SPD-Fraktion. Unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft war Kutschaty zwischen 2010 und 2017 Landesjustizminister. 2021 übernahm er den Landesvorsitz der SPD und wurde außerdem zu einem der fünf stellvertretenden Bundesvorsitzenden der SPD gewählt. Neben seiner politischen Karriere ist Kutschaty seit 1997 als Rechtsanwalt tätig.
Joachim Stamp ist stellvertretender Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und Spitzenkandidat der FDP. Der promovierte Politologe ist seit 2017 Landesminister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration. Vor seiner Laufbahn in der aktiven Politik war er von 1998 bis 1999 Mitarbeiter im Büro des damaligen Bundestagsabgeordneten Guido Westerwelle. Zwischen 1999 und 2006 war Stamp als wissenschaftlicher Referent für die „Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit“ in Gummersbach tätig. Im Anschluss arbeitete er in gleicher Funktion bis 2008 für die Villa Lessing/Liberale Stiftung Saar e.V. Stamp ist seit 2012 Mitglied des Düsseldorfer Landtages und war zwischen 2010 und 2012 Generalsekretär der FDP in Nordrhein-Westfalen.
Markus Wagner ist Fraktionsvorsitzender und Spitzenkandidat der AfD. Der studierte Sozialpädagoge war von 1982 bis 1996 Mitglied der CDU. Zwischen 2001 und 2007 war Wagner Mitglied der rechtspopulistischen Kleinpartei „Partei Rechtsstaatlicher Offensive“ („Schill-Partei“), ehe es ihn in die Partei „Rechte Mitte HeimatHamburg“ zog. 2013 trat Wagner in die AfD ein, und konnte 2017 ein Mandat für den nordrhein-westfälischen Landtag erringen. Wagner ist seit 1993 geschäftsführender Gesellschafter einer Einrichtung der Eingliederungshilfe für psychisch erkrankte Menschen.
Mona Neubaur, Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen, ist bereits seit 2014 Landesvorsitzende ihrer Partei. Über ein Abgeordnetenmandat im Düsseldorfer Landtag verfügt die Diplom-Pädagogin bisher allerdings noch nicht. Als damals 20 Jährige zog es Neubaur 1997 von Bayern nach Nordrhein-Westfalen. Nach ihrem Studium arbeitete sie bis 2007 als Referentin für Öffentlichkeitsarbeit beim Energieversorger Naturstrom AG. Von 2010 bis 2014 war Neubaur bei der Heinrich-Böll-Stiftung beschäftigt.
2017 verpasste DIE LINKE den Einzug in den Düsseldorfer Landtag denkbar knapp. Gelingen soll der Wiedereinzug 2022 mithilfe eines Spitzenduos. Carolin Butterwegge ist Soziologin und arbeitet als Dozentin an der Universität zu Köln. Sie war bereits zwischen 2010 und 2012 Mitglied des Landtages. Jules El-Khatib ist stellvertretender Landessprecher der LINKEN in Nordrhein-Westfalen.
Ausgangslage und Umfragen
Auch vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen dominierte lange Zeit der Umgang mit der Corona-Pandemie die politischen Debatten. Mit dem Ende des Großteils der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, und ebenso aufgrund des Kriegs in der Ukraine und dessen Folgen, ist das Thema Corona in den letzten Wochen allerdings zunehmend in den Hintergrund gerückt. Neben der Beschäftigung mit den Auswirkungen des Kriegs, messen die Menschen in NRW auch den Themen Bildung, Verkehr und Klimawandel große Bedeutung bei. Seit der letzten Landtagswahl 2017 haben sich alle im Landtag vertretenen Parteien auf Landes- und auf Bundesebene personell neu aufgestellt. Bei der Wahl zum 18. Landtag ´von Nordrhein-Westfalen geht es somit neben einer Bewertung der abgelaufenen Legislaturperiode ganz besonders um die Frage, wem die Bürgerinnen und Bürger zutrauen, die Herausforderungen der nächsten Jahre zu meistern.
Die bisherige schwarz-gelbe Koalition muss eineinhalb Monate vor der Wahl um ihre Regierungsmehrheit bangen. Zwischen den großen Parteien sieht es nach aktuellen Umfragen weiterhin nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen aus. Sowohl die regierende CDU, als auch die oppositionelle SPD bewegten sich in den letzten Umfragen jeweils um die 30-Prozent-Marke. Der Trend der FDP war in den vergangenen Wochen leicht rückläufig. Sie liegt derzeit bei 6 Proeznt. Die Grünen stehen aktuell bei 17 Prozent. Die AfD bewegte sich zuletzt relativ stabil zwischen sechs und acht Prozent und darf auf den Wiedereinzug hoffen. DIE LINKE liegt bei drei Prozent und müsste sich steigern, um die Fünfprozenthürde zu überwinden.
Für für die schwarz-gelbe Regierungskoalition aus CDU und FDP gibt es nach aktuellen Umfragen keine Mehrheit. Im Hinblick auf mögliche Koalitionsoptionen nach der Wahl, dürfte vor allem den in den Umfragen drittplatzierten Grünen eine Schlüsselrolle zukommen. Sowohl eine schwarz-grüne, als auch eine rot-grüne Koalition sind mögliche Optionen. Je nach Ausgang der Wahl könnte auch ein Dreierbündnis unter Beteiligung der FDP eine Möglichkeit darstellen.
Umfragen zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 15. Mai 2022
(Angaben in %).
Daten: Forschungsgruppe Wahlen/ZDF, 12. Mai 2022
Frühere Umfragen zur Landtagswahl in Nordhrein-Westfalen
Frühere Umfragen zur Landtagswahl in Nordhrein-Westfalen
Umfragen zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 15. Mai 2022 (Angaben in %)
CDU | SPD | FDP | AfD | Grüne | LINKE | Sonstige | |
---|---|---|---|---|---|---|---|
INSA/BILD 12. Mai 2022 | 32 | 28 | 8 | 7 | 16 | 3 | 6 |
Forschungsgruppe Wahlen/ZDF 6. Mai 2022 | 30 | 28 | 7 | 7 | 18 | 3 | 7 |
Infratest dimap/WDR 5. Mai 2022 | 30 | 28 | 8 | 8 | 16 | 3 | 7 |
Forsa/NRW-Tageszeitungen 4. Mai 2022 | 32 | 28 | 7 | 6 | 17 | 3 | 7 |
Infratest dimap/WDR 24. April 2022 | 31 | 30 | 8 | 7 | 18 | 3 | 5 |
INSA/BamS 17. April 2022 | 29 | 31 | 10 | 7 | 14 | 4 | 5 |
Forsa/NRW-Tageszeitungen 13. April 2022 | 30 | 30 | 8 | 6 | 18 | 2 | 6 |
INSA/BILD 5. April 2022 | 28 | 30 | 10 | 7 | 15 | 4 | 6 |
Infratest dimap/WDR 3. April 2022 | 31 | 30 | 8 | 7 | 15 | 4 | 5 |
Forsa/NRW-Tageszeitungen 16. März 2022 | 32 | 27 | 8 | 6 | 17 | 3 | 7 |
INSA/BILD 20. Februar 2022 | 27 | 29 | 12 | 8 | 14 | 4 | 6 |
Forsa/NRW-Tageszeitungen 9. Februar 2022 | 29 | 27 | 9 | 7 | 18 | 4 | 6 |
INSA/BILD 3. Februar 2022 | 26 | 28 | 12 | 8 | 14 | 4 | 8 |
Infratest dimap/WDR 30. Januar 2022 | 28 | 28 | 10 | 8 | 17 | 3 | 6 |
Rückblick: Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2017
Die Wahl zum Düsseldorfer Landtag 2017 brachte im Vergleich zur vorherigen Landtagswahl im Jahr 2012 große Veränderungen mit sich. Die bisherige rot-grüne Regierungskoalition um Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hatte massive Verluste zu verzeichnen und büßte ihre Regierungsmehrheit ein. Die SPD verlor gegenüber 2012 acht Prozentpunkte; beim grünen Koalitionspartner waren es fünf Prozentpunkte. Über kräftige Zugewinne durften sich CDU und FDP freuen. Der CDU gelang mit Spitzenkandidat Armin Laschet ein Zuwachs um fast sieben Prozentpunkte. Die von Christian Lindner angeführte FDP verbesserte sich um vier Prozentpunkte. Die beiden bürgerlichen Parteien hatten sich seit 2010 in der Opposition befunden und verfügten nach der Wahl 2017 über eine hauchdünne parlamentarische Mehrheit. Mit nur einem Sitz Vorsprung gegenüber den übrigen im Parlament vertretenen Parteien konnte Schwarz-Gelb die neue Landesregierung bilden.
Die AfD trat zum ersten Mal zu einer Landtagswahl in NRW an. Mit 7,4 Prozent gelang ihr der Einzug in den Düsseldorfer Landtag. Keine Rolle mehr spielte hingegen die Piratenpartei. Nach einem Verlust von fast sieben Prozentpunkten verpasste sie den Wiedereinzug. Auch die LINKE scheiterte mit 4,9 Prozent äußerst knapp an der Fünfprozenthürde.
Ergebnisse der Wahlen zum Landtag von Nordrhein-Westfalen seit 2012 (Angaben in %)
CDU | SPD | FDP | AfD | Grüne | LINKE | Piraten | Sonstige | |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
2017 | 33,0 | 31,2 | 12,6 | 7,4 | 6,4 | 4,9 | 1,0 | 3,5 |
2012 | 26,3 | 39,1 | 8,6 | - | 11,3 | 2,5 | 7,8 | 4,4 |
Wahlsystem
Im nach Einwohnern größten deutschen Bundesland gibt es rund 13,2 Mio. Wahlberechtigte. Diese sind alle fünf Jahre zur Wahl der Abgeordneten des Landtages in Düsseldorf aufgerufen. Voraussetzung um wählen zu dürfen, ist die deutsche Staatsbürgerschaft sowie ein Mindestalter von 18 Jahren. Das Wahlsystem gleicht dem der Bundestagswahl. Mit der Erststimme bestimmen die Wählerinnen und Wähler eine Direktkandidatin oder einen Kandidaten aus ihrem Wahlkreis. Die Zweitstimme wird für die Landesliste einer Partei vergeben. Sie ist entscheidend für das prozentuale Wahlergebnis einer Partei.
Von den mindestens 181 zu vergebenden Mandaten des Landtages entfallen 128 Sitze auf die Direktkandidatinnen und -kandidaten in den Wahlkreisen. Die verbleibenden Mandate werden über die Landeslisten vergeben. Falls eine Partei durch gewonnene Direktmandate mehr Abgeordnete stellen kann, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis eigentlich zustehen würden, kommt es zu Überhangmandaten. Damit die Sitzverteilung im Landtag trotzdem dem Zweitstimmenergebnis entspricht, werden in diesem Fall zusätzliche Ausgleichsmandate an die anderen Parteien vergeben. In Nordrhein-Westfalen gilt die Fünfprozenthürde.
Wahl-O-Mat: Landtag von Nordrhein-Westfalen
15. Mai 2022
Der Wahl-O-Mat zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen fragt die Nutzerinnen und Nutzer nach ihren Positionen zu ausgewählten politischen Themen. Anschließend werden die Antworten mit den Partei- und Wahlprogrammen aller zur Wahl zugelassenen Parteien verglichen. Der Wahl-O-Mat ist ein Angebot der Bundeszentrale für politische Bildung und der Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen. Der Wahl-O-Mat ist freigeschaltet!
www.wahl-o-mat.de
Parteien
Spitzenkandidatinnen und -kandidaten
Spitzenkandidatinnen und -kandidaten
Letzte Aktualisierung: August 2022, Internetredaktion der LpB BW