März 2011

Freya Gräfin von Moltke – Brückenbauerin im Widerstand gegen den Nationalsozialismus
Im März 2011 hätte Freya Gräfin von Moltke (1911-2010), das letzte Mitglied des "Kreisauer Kreises" ihren 100. Geburtstag gefeiert.
Die Widerstandskämpferin, Juristin und Schriftstellerin ist vor allem als Witwe von Helmuth James Graf von Moltke, einer treibenden Kraft des deutschen Widerstands gegen die Nationalsozialisten (Gedenkstätte Deutscher Widerstand), bekannt. Dabei war ihr eigenes politisches Engagement erheblich:
„Graf Moltke [hatte] in Freya Moltke eine ebenbürtige, gleich engagierte Frau an seiner Seite […], mit hoher, hoher Selbstständigkeit: Sie zählte zu den wenigen Studierenden, die eine Promotion ablegte und ihr Leben lang nicht aufgehört hat, sich mit Elan für den Gedanken der Demokratie, der Verständigung und der Versöhnung einzusetzen, wo immer sie lebt.“
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Als Freya Deichmann 1911 in Köln geboren, studierte sie Rechtswissenschaften und promovierte 1935 in Berlin an der juristischen Fakultät. Bereits im Alter von zwanzig Jahren hatte Freya Graf von Moltke geheiratet, für den sie an der Universität Breslau gearbeitet hatte.
Die beiden Söhne kamen 1937 und 1941 zur Welt. Die protestantisch geprägten von Moltkes standen schon früh nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Opposition zum NS-Regime und entschlossen sich 1940, gegen Hitler aktiv zu werden.
Helmuth James und Freya von Moltke in Kreisau, 1935 ©Foto Familie von Moltke
Gemeinsam mit Peter und Marion Yorck von Wartenburg bildeten Freya und Helmuth James von Moltke den Kern einer Gruppe, die über Konzepte für ein demokratisches Deutschland nach Hitler und ein vereintes Europa diskutierte. Menschen verschiedener sozialer, politischer und konfessioneller Herkunft gehörten zum ‚Kreisauer Kreis’, wie sich die Widerstandsgruppe nannte. Sie traf sich in Berlin, aber auch auf dem Gutshof der von Moltkes in Kreisau (Niederschlesien). Heute liegt der Ort in Polen und heißt Krzyżowa. Freya von Moltke organisierte hier zwischen 1942 und 1943 mehrere Treffen. Kreisau wurde unter ihrer Leitung zudem Zufluchtspunkt für verfolgte Freundinnen und Freunde der Familie.
Im Januar 1944 wurde Helmuth James von Moltke von der Gestapo festgenommen, nachdem seine Arbeit im Widerstand entdeckt worden war. Freya von Moltkes Gnadengesuch an den Reichsführer-SS Heinrich Himmler erreichte diesen allerdings zu spät. Ihr Mann wurde nach mehrmonatiger Haft im KZ Ravensbrück und im Gefängnis Berlin-Tegel Anfang 1945 hingerichtet; eine Beteiligung am misslungenen Attentat auf Hitler konnte ihm nicht nachgewiesen werden.
Nach den Wirren des Zweiten Weltkrieges wanderte Freya von Moltke mit ihren Söhnen nach Südafrika aus und arbeitete als Sozialarbeiterin.
Von 1956 bis 1960 lebte sie in West-Berlin und war u.a. als Zeitzeugin in Schulklassen tätig, wo sie über das noch immer verdrängte Thema des Widerstands gegen das NS-Regime sprach.
1960 siedelte Freya von Moltke in die USA über und begann dort, die über 1.600 Briefe ihres Mannes, die er ihr von 1939 bis zu seinem Tod täglich geschrieben hatte, zu transkribieren. Das darauf basierende Buch „Briefe an Freya 1939-1945“ erschien 1988 und stellt ein wichtiges Zeugnis des deutschen Widerstands dar. Ein Jahr später erhielt Freya von Moltke hierfür den Geschwister-Scholl-Preis. Bis zu ihrem Tode lebte sie in den USA mit dem Kulturphilosophen Eugen Rosenstock-Huessy zusammen.
2005 gegründete "Freya von Moltke-Stiftung für das Neue Kreisau" dient der langfristigen Erhaltung der verschiedenen Projekte; Freya von Moltke war bis zu ihrem Tod Ehrenvorsitzende der Stiftung und berichtete bei ihren Besuchen in Kreisau aus ihrem Leben. Das Buch „Brücken schlagen“ mit den gesammelten Briefen zu ihrem 90. Geburtstag zeigt deutlich, welchen Einfluss sie auf die Entstehung des "neuen" Kreisau gehabt haben muss.
Freya von Moltke bei ihrem letzten Besuch in Krzyzowa, 2004 © Foto Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung
1997 erschien Freya von Moltkes letzte Publikation „Erinnerungen an Kreisau 1930-1945“.
1999 erhielt Freya von Moltke den Internationalen Brückepreis, mit dem ihr Engagement zur Überwindung des Nationalsozialismus und für die Völkerverständigung im christlichen Geist gewürdigt wurde. 2009 wurde sie mit dem Adam-Mickiewcz-Preis für Versöhnung und Zusammenarbeit in Europa geehrt.
Freya von Moltke im Alter von 95. © Foto: wikimedia, HopsonRoad, CC BY-SA 3.0
März 2011 (Johanna Thumm)
Lektüretipps und Links:
- Frauke Geyken: Freya von Moltke. Ein Jahrhundertleben 1911–2010 Verlag C.H. Beck, München 2011
- www.moltke-film.de/
- Freya von Moltke-Stiftung für das Neue Kreisau
- www.kreisau.de/: Kreisau-Initiative Berlin e.V.
- www.krzyzowa.org.pl/
Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung,
Trägerin der Projekte in Krzyżowa