Präsidentschaftswahl in Russland 2012 (Archiv)

Am 4. März 2012 hat Russland einen neuen Präsident gewählt. Das Ergebnis fiel wie erwartet aus: Der russische Regierungschef Wladimir Putin hat mit deutlichem Abstand gewonnen. Der neue Präsident wurde das erste Mal gemäß geänderter Verfassung für sechs und damit zwei Jahre länger als bisher gewählt. Putin kann somit wieder zwei Amtszeiten als Kremlchef in Folge ableisten, wenn er 2018 noch einmal antritt. Die Opposition wirft der Regierung indes Wahlmanipulationen vor.

Nach Angaben der Wahlleitung erhielt Putin 63,65 Prozent der Stimmen. Damit konnte sich der 59-Jährige bereits im ersten Wahlgang eine dritte Amtszeit im Kreml sichern. Seine vier Herausforderer landeten deutlich abgeschlagen hinter ihm. Auf den zweiten Platz kam mit rund 17 Prozent Gennadi Sjuganow (67) von der Kommunistischen Partei. Dahinter landeten der Multimilliardär Michail Prochorow (46) mit rund 7,5 Prozent und der Ultranationalist Wladimir Schirinowski (65) mit 6,2 Prozent vor dem Linkskonservativen Sergej Mironow (59) mit 3,8 Prozent. Putin war bereits von 2000 bis 2008 Präsident Russlands.

Noch am Wahlabend trat Putin im Zentrum Moskaus vor seine Anhänger und erklärte sich zum Wahlsieger. "Ich habe Euch versprochen, wir würden gewinnen – und wir haben gewonnen", sagte Putin. Im Bezug auf die massiven Proteste gegen ihn seit der Parlamentswahl erklärte er: "Wir haben gezeigt, dass uns niemand etwas aufzwingen kann." Das Land habe sich in acht genommen vor "politischen Provokationen", die "nur ein Ziel haben: die russische Staatlichkeit zu zerstören und die Macht an sich zu reißen."

Schon bei der Parlamentswahl im Dezember 2011 war es zu massiven Wahlfälschungen gekommen, die zu einer für Russland neuen Protestwelle geführt hatten. Hunderttausende Menschen gingen auf die Straßen, um gegen Putin und für faire Wahlen zu demonstrieren. Putin behauptete es handele sich dabei um vom Westen gekaufte Aufwiegler. Dennoch kündigte er Sondermaßnahmen an, um zu beweisen, dass die Präsidentschaftswahl rechtens ablaufen würde. Dafür ließ er extra in allen 91.000 Wahllokalen Webcams installieren. Gleichzeitig warf er die Möglichkeit auf, die Opposition könnte Wahlmanipulationen selber inszenieren, um sie ihm anzulasten.

Nach der Wahl erklärte der Wahlkampfleiter Stanislaw Goworuchin: "Das waren die saubersten Wahlen in Russlands Geschichte". Die Opposition erhebt allerdings massive Betrugsvorwürfe. Noch während der Abstimmung sprach die Opposition von Tausenden Verstößen. Neben Mehrfach-Stimmabgaben und manipulierten Wahlzetteln monierten unabhängige Beobachter auch das nur zum Schein transparente System der Video-Überwachung in den Wahllokalen. Nach Angaben der Wahlbeobachterorganisation Golos kam es zu über 5.000 Verstößen gegen das Wahlrecht. So seien in vielen Wahllokalen registrierte Beobachter nicht zur Auszählung der Stimmen zugelassen worden, sagte ein Golos-Sprecher. Auch die internationalen Beobachter der OSZE, Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, kamen zu dem Urteil, dass die Wahlen in Russland nicht fair waren. In jedem dritten Wahllokal sei es bei der Stimmauszählung zu Unregelmäßigkeiten gekommen. Die OSZE kritisierte zudem, dass Putins Gegenkandidaten von den Medien benachteiligt worden seien, es habe keinen echten Wettbewerb gegeben.

Die Opposition will gegen die aus ihrer Sicht unfaire Wahl demonstrieren. Einer der Anführer der Protestbewegung, Wladimir Ryschkow, sagte im staatlichen Fernsehen: "Diese Wahlen können in keiner Weise als rechtmäßig betrachtet werden." Regierungskritiker und Oppositionelle kündigten an, weiter auf die Straße zu gehen. Und zwar so lange, bis Putin die Macht abgegeben hat. Schon am Tag nach der Wahl demonstrierten in Moskau und St. Petersburg Zehntausende gegen die Wahl von Putin. Die Polizei griff daraufhin durch und nahm Hunderte Demonstranten fest.

In Russland waren knapp 110 Millionen Wähler aufgerufen, einen neuen Präsidenten zu bestimmen. Wegen der Größe des Landes und der zahlreichen Zeitzonen erstreckte sich die Wahl über 21 Stunden. Die Wahlbeteiligung lag bei etwa 63 Prozent.

Wahlen in Russland

Im größten Land der Erde gelten Wahlen vor allem als Möglichkeit, die Macht der Elite zu legitimieren. Obwohl Russland sich 1993 mit seiner neuen Verfassung zur Demokratie bekannte, hat noch keine Wahl im Land zu einem von der Staatsmacht nicht geplanten Machtwechsel geführt.

Seit Präsident Boris Jelzin am 31. Dezember 1999 die Regierungsgeschäfte an seinen damaligen Ministerpräsidenten Wladimir Putin übergab, lenkt dieser die Geschicke des Landes. Von 2000 bis 2008 war er Russlands Präsident. Putin hatte Ende 2007 angekündigt, er werde nach dem Ausscheiden im Frühjahr 2008 - eine dritte Amtzeit war nicht möglich - eine Ernennung zum Ministerpräsidenten zu akzeptieren, sollte Dmitri Medwedjew die anstehende Präsidentenwahl gewinnen. Damit blieb Putin weiterhin der starke Mann Russlands.

Wie erwartet hatte Medwedjew die russischen Präsidentenwahlen 2008 mit 70  Prozent der Stimmen haushoch für sich entschieden und Putin zum Ministerpräsidenten ernannt. Allerdings behielt Putin auch als Regierungschef mit seiner Hausmacht im Kreml und im Parlament weiter großen Einfluss. So blieben auch trotz des Wechsels im Präsidentenamt viele der Schlüsselfunktionen in der Regierung unverändert. Medwedew wurde von vielen nur als Präsident von Putins Gnaden angesehen. Putin selbst sprach von einem Tandemherrschaft zwischen ihm und Medwedew, wobei er letzteren als Juniorpartner bezeichnete.

Nach nur einer Amtsperiode Medwedews steht wieder ein Ämtertausch der beiden an. Im September 2011 erklärt Medwedew beim Parteitag der Partei „Einiges Russland“, nicht für eine zweite Amtszeit kandidieren zu wollen und schlug Putin als Kandidat für das Präsidentschaftsamt vor. Nach seinem Sieg im ersten Wahlgang wird Putin im Mai wieder das Amt des Präsidenten übernehmen. Medwedew, so sieht es der Plan der beiden Staatsmänner vor, soll dann wieder Ministerpräsident werden. Putin wird die Atom- und Energiegroßmacht dann erstmals sechs und damit zwei Jahre länger als bisher führen. Mit einer erneuten Bewerbung im Jahr 2018 könnte Putin weitere 12 Jahre regieren.

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Wladimir Putin

Dass Wladimir Wladimirowitsch Putin die Wahl gewinnen würde, war schon vor dem Wahltag sicher. Zum einen hatte der frühere Geheimdienstchef, der seit mehr als zwölf Jahren das Land lenkt, die Zeit an der Macht dazu genutzt, das Parlament, die Justiz und sogar das Amt des Präsidenten seinem Willen zu unterwerfen. Eine Gewaltenteilung gibt es in Russland somit kaum noch. Wladimir Putin bezeichnet seine Regierungsweise als "starken Staat" mit einem mächtigen Präsidenten, der für Recht und Ordnung im Land sorgt.

Kritiker bewerten Putin als autoritär und werfen ihm vor, die kritische Presse und politische Widersacher auf undemokratische Weise ausgeschaltet zu haben. Zum anderen galt Putin noch immer als der bei weitem beliebteste Politiker des Landes. Denn er war es, der nach den Wirren der neunziger Jahre für eine gewisse Stabilität gesorgt hatte. Als Wladimir Putin die Macht in Russland übernahm, stand das Land am Rande des Bankrotts. Es herrschten zerrüttete staatliche Strukturen. Die Macht hatte die Oligarchie. Die Bevölkerung war verarmt. Putin schaffte es, das Land zu stabilisieren. Dazu kam der steigende Wohlstand des Landes, der den Rohstoffexporten zu verdanken ist. Das Riesenreich profitiert von seinen gewaltigen Ressourcen an Öl und Gas, so lagert ein Drittel der weltweiten Gasreserven in Russland.

So war das wichtigste Thema in Putins Wahlkampf die Stabilität des Landes. Er warnte vor neuem Chaos, sollte ein anderer in Zukunft Russland führen.
Für die Zukunft mit ihm als Präsidenten versprach Putin ein besseres Investitionsklima, mehr Sozialstaat und mehr Demokratie. Offen bleibt, warum er diese Vorhaben nicht schon früher umgesetzt hatte. Offen bleibt auch, wie der russische Sozialstaat mit der extremen Armut vieler Menschen auf Dauer zu finanzieren ist. Zwar verfügt Russland im Vergleich etwa zu Deutschland über eine geringe Staatsverschuldung, ein Wirtschaftswachstum von zuletzt 4,2 Prozent und einer offiziellen Arbeitslosenquote von 6,3 Prozent. Doch das ganze System fußt allein auf Gewinnen aus den Öl- und Gasgeschäften des Landes. Da es absehbar ist, dass diese Einnahmequelle irgendwann versiegen wird, sind eine grundlegende Modernisierung der Wirtschaft und Verwaltung sowie politische Reformen dringend notwendig.

Demonstrationen

Zwar konnte kein Herausforderer Putin seinen erneuten Sieg streitig machen, dennoch gilt er als politisch angeschlagen. Deutlich wurde das durch die Parlamentswahlen im Dezember 2011. Bei dieser Wahl kam es zu beträchtlichen Manipulationen. Internationale Wahlbeobachter kamen zu dem Schluss, dass bei der Wahl demokratische Grundregeln erheblich verletzt wurden. Dennoch erreichte die Regierungspartei „Einiges Russland“, deren Vorsitzender Putin ist, immer noch „nur“ 49,3 Prozent der Stimmen, rund 15 Prozent weniger als vier Jahre zuvor.

Zwar gilt das russische Parlament als verfassungsrechtlich marginalisiert, doch macht der Stimmenverlust die Haltung der Bevölkerung deutlich. Dazu führten die Fälschungsvorwürfe und das umstrittene Ergebnis bei der Parlamentswahl zu den schwersten Protesten seit Putins Machtantritt. Zehntausende Russen gingen immer wieder auf die Straße, um für eine ehrliche Abstimmung und mehr Demokratie in Russland zu demonstrieren.

Die Wahlbetrugvorwürfe sind nicht neu. Schon früher wurden als nicht opportun geltende Kandidaten bei der Zulassung zur Wahl wegen realer oder konstruierter Mängel ihrer Bewerbung abgelehnt. Bei dieser Wahl erging es dem liberalen Politiker Grigori Jawlinski entsprechend. Und auch bei den Wahlergebnissen beklagt die Opposition seit Jahren Manipulationen. Die Wahlbehörde hatte jedoch nie die Wahlergebnisse ernsthaft in Frage gestellt. Doch die auffälligen Verstöße bei der Parlamentswahl 2011 bewegten viele Russen erstmals dazu, gegen die Regierung auf die Straße zu gehen und bauten damit massiven Druck auf. Für Beobachter eine ganz neue und überraschende Entwicklung in Russland.

Eine wichtige Rolle spielt bei der Organisation des Protestes das Internet, das in den letzten Jahren stark ausgebaut wurde. Eine Woche vor der Präsidentschaftswahl kamen rund 30.000 Menschen in Moskau zusammen und bildeten eine 15 Kilometer lange Schlange um den Kreml, um für ehrliche Wahlen zu protestieren. Nachdem Putin sich nicht einmal einer Stichwahl stellen muss, kündigte die Opposition neue Demonstrationen an, um auf diese Weise Veränderungen im Land zu bewirken.

Auch wenn Putin der Wahlsieg nicht zu nehmen war, so zeigt die Protestbewegung zumindest das Erwachen des Bürgerlichen Engagements in Russland. Die neue russische Opposition hat bereits Massenproteste gegen seine Wiederwahl angekündigt. Russland stehen spannende Zeiten bevor.

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Das russische Wahlsystem

Der russische Präsident wird laut der russischen Verfassung (Art. 81 der russischen Verfassung) durch eine Direktwahl gewählt. Ein Präsidentschaftskandidat muss Bürger der Russischen Föderation, älter als 35 Jahre sein und seit mindestens 10 Jahren ständig in Russland leben.

Die Amtszeit beträgt ab dieser Wahl 6 Jahre, eine Wahl in das Amt ist nur zweimal hintereinander möglich.

Das aktive Wahlrecht haben in Russland alle Bürgerinnen und Bürger der Russischen Föderation, außer denjenigen, die von einem Gericht entmündigt worden sind, oder, die aufgrund eines Gerichtsurteils in Haftanstalten einsitzen.

Kandidaten

Die Kandidaten können von politischen Parteien, von Wählervereinigungen aufgestellt werden und können sich auch selbst aufstellen. Diese Kandidaten müssen mindestens 2 Millionen Unterstützerunterschriften sammeln.

Wahlergebnis

Gewählt ist derjenige der registrierten Kandidaten, der mehr als die Hälfte der Stimmen der Wähler, die an der Wahl teilgenommen haben, erreicht hat. Erreicht keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit, gibt es zwischen den beiden erfolgreichsten Kandidaten eine Stichwahl.

Wenn weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten an der Wahl teilgenommen haben, ist die Wahl ungültig.

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Das Amt des Präsidenten

Das Amt des Präsidenten ist die höchste Position im russischen Regierungssystem. Der Status des russischen Präsidenten ist in Kapitel 4 der russischen Verfassung festgesetzt.

Der Präsident

  • bestimmt die Richtlinien in Außen- und Innenpolitik
  • ernennt und entlässt Ministerpräsidenten, wobei das Parlament zustimmen muss
  • ernennt und entlässt Minister
  • ihm unterstehen die Schlüsselressorts Verteidigung, Äußeres, Justiz und Inneres
  • kann Gesetze durch sein Veto verhindern, sofern es nicht durch eine Zweidrittelmehrheit der Duma überstimmt wird
  • kann sich über ein spezielles Dekret über die Duma hinweg setzen. Einzige Bedingung: Die Dekrete dürfen nicht der Verfassung widersprechen
  • kontrolliert als Oberster Kommandeur der Streitkräfte das russische Atomwaffen-Arsenal
  • kann den Ausnahmezustand verhängen und das Kriegsrecht ausrufen
  • Geheimdienste berichten direkt an den Präsidenten
  • ernennt den Chef der Zentralbank
  • hat Amtssitz und Verwaltung im Moskauer Kreml

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