Dossier
Regionale Menschenrechtsabkommen
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Nicht nur auf globaler, sondern auch auf regionaler Ebene bestehen Menschenrechtserklärungen und -abkommen, die im räumlichen Geltungsbereich der Abkommen allen Menschen ihre Menschenrechte garantieren. Die meisten Staaten der Welt haben die Allgemeine Menschenrechtserklärung in ihrer Verfassung verankert. Einige Staaten und Kontinente entwickelten jedoch eigene Konventionen, die Besonderheiten der Region beachten. Andere kulturelle Kreise haben bisweilen eine eigene Vorstellung von der Würde des Menschen entwickelt, die nicht immer mit unserer Auffassung übereinstimmt. Diese Übersicht zeigt weitere regionale Menschenrechtsabkommen.
Europäische Konvention (EMRK)
Die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
Am 4. November 1950, im Jahr nach seiner Gründung, verabschiedete der Europarat in Anlehnung an die Allgemeine Menschenrechtserklärung die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Am 3. September 1953 trat sie nach der Ratifikation durch zehn Staaten in Kraft, ergänzt wird die EMRK von 16 Zusatzprotokollen.
Alle Mitgliedstaaten des Europarats haben die Konvention ratifiziert und sind somit bei Verstößen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anklagbar. Weltweit einmalig schuf die EMRK die Möglichkeit eines Individual- bzw. Staatenbeschwerdeverfahrens bei einem internationalem Gremium, dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
In Anlehnung an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte enthält die EMRK einen Katalog der wichtigsten Freiheitsrechte (Artikel 2 bis 14) wie beispielsweise das Recht auf Leben, Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit. Die EMRK verpflichtet die 45 Vertragsstaaten, diese Rechte für alle Personen zu garantieren, die ihrer Hoheitsgewalt unterstehen.
Weiterführende Links:
Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
Warum ist die Europäische Union der EMRK noch nicht beigetreten?
Warum ist die Europäische Union der EMRK noch nicht beigetreten?
Im September 2020 sind die Verhandlungen über einen Beitritt der Europäischen Union (EU) zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) wieder aufgenommen worden; diese laufen aktuell noch (Stand: Januar 2022). Die EU ist der Konvention noch nicht beigetreten, obwohl sich alle Mitgliedstaaten der EU verpflichtet haben, die Menschenrechte und Grundfreiheiten in ihrem Hoheitsgebiet zu achten. Der Vertrag von Lissabon sieht ebenfalls vor, dass die EU der EMRK beitritt.
Die FDP fragte 2020 die Bundesregierung nach dem aktuellen Stand der Verhandlungen zum Beitritt zur EMRK (Druchsache 19/21204). Die Bundesregierung antwortete:
„Die Bundesregierung setzt sich gerade auch mit Blick auf die deutsche EU-Ratspräsidentschaft und den kommenden Vorsitz im Ministerkomitee des Europarats engagiert für den Beitritt der EU zur EMRK ein.”
Wer überwacht die Europäische Menschenrechtskonvention?
Wer überwacht die Europäische Menschenrechtskonvention?
Für die Europäische Menschenrechtskonvention gibt es einige maßgebliche Institutionen und Verfahren:
- Im Europarat werden größtenteils Konventionen zu den Menschenrechten ausgearbeitet, die später als völkerrechtliche Verträge von den Mitgliedstaaten ratifiziert werden sollen. Zum Europarat gehören unter anderem das Ministerkomitee, die Parlamentarische Versammlung, der Generalsekretär, der Europäische Gerichtshof sowie der Menschenrechtskommissar.
- An den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg können sich alle Bürgerinnen und Bürger wenden, die sich in einem der in der Menschenrechtskonvention oder ihren Zusatzprotokollen verbürgten Rechten verletzt sehen – allerdings erst, wenn sie bereits den innerstaatlichen Rechtsweg ausgeschöpft haben.
- Das Ministerkomitee als Institution ist in der Satzung des Europarats verankert. Seine Aufgabe ist es, die Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu überwachen. Im Ministerkomitee ist jedes Mitglied des Europarats durch seinen Außenminister vertreten.
- Der Menschenrechtskommissar soll als unabhängige und unparteiische außergerichtliche Institution des Europarats die Achtung der Menschenrechte in den Mitgliedstaaten fördern. Er steht im Dialog mit den jeweiligen nationalen Behörden und der Zivilgesellschaft, berät sich über die konsequente Umsetzung der Menschenrechte und berichtet darüber.
Im Unterschied zur Allgemeinen Erklärung ist in der Konvention in Form des Internationalen Gerichtshofs für Menschenrechte ein besonderer Rechtsschutz enthalten. Außerdem sind die Menschenrechte genauer definiert. So heißt es in Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte lediglich: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.” In der Konvention ist ausgeführt, dass sich alle Gewalten des Staates an die Menschenrechte und die Grundfreiheiten halten müssen, ob Exekutive, Judikative oder Legislative. Festgelegt ist ferner, dass jeder Vertragsstaat Ausländer:innen und Staatenlose genauso in ihren Menschenrechten und Grundfreiheiten zu schützen hat wie eigene Staatsangehörige.
Welche weiteren Abkommen und Erklärungen gibt es auf europäischer Ebene?
Welche weiteren Abkommen und Erklärungen gibt es auf europäischer Ebene?
Auf europäischer Ebene gibt es mehrere Erklärungen, die sich mit Menschenrechten befassen:
- Im Rahmen des Europarates, in dem mittlerweile 47 Staaten zusammengeschlossen sind (Stand 2022), ist hier vor allem die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK, verabschiedet 1950/seit 1953 in Kraft) zu nennen.
- Hinzu kommen die bislang bedeutungsarme Europäische Sozialcharta (1961/1965) in ihrer revidierten Fassung (1996/1999) sowie jüngere Abkommen zur Verhütung oder Bekämpfung von Folter, Menschenhandel, sexuellem Missbrauch von Kindern sowie Gewalt gegen Frauen.
- Die Europäische Union mit ihren Mitgliedstaaten wiederum verfügt über eine eigene Grundrechtecharta (2000/2009) und wird wohl in absehbarer Zeit der EMRK beitreten.
Amerikanische Menschenrechtskonvention (AMRK)
Vom 22. November 1969 (Inkrafttreten: 18. Juli 1978)
Die Amerikanische Menschenrechtskonvention (AMRK) hat ihren Ursprung in der „Amerikanischen Erklärung der Rechte und Pflichten des Menschen“ (American Declaration of the Rights and Duties of Man) von 1948. Wie die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) enthält auch die AMRK einen Katalog von bürgerlichen und politischen Rechten. Zudem garantiert sie in einem Zusatzprotokoll auch wirtschaftliche und soziale Menschenrechte.
Bis auf Kanada, Kuba und einige karibische Staaten haben die meisten Staaten Amerikas das interamerikanische Menschenrechtssystem der AMRK unterzeichnet. Ratifiziert haben sie bisher 25 Staaten (Stand: Januar 2022), die Vereinigten Staaten sind jedoch nicht darunter. Die Amerikanische Menschenrechtskonvention deckt sich weitgehend mit der europäischen. Allerdings gehen einzelne Garantien etwas weiter. Die wohl gravierendste Abweichung besteht beim Thema Todesstrafe.
Weiterführender Link:
Amerikanische Menschenrechtskonvention
Hintergrundinformationen zur AMRK
Hintergrundinformationen zur AMRK
Das Zusatzprotokoll zur Amerikanischen Menschenrechtskonvention über die Abschaffung der Todesstrafe von 1990 wurde bisher von 17 Staaten ratifiziert bzw. unterschrieben (Stand: Januar 2022). Es lässt aber weiterhin in Kriegszeiten die Todesstrafe zu, sofern Staaten einen entsprechenden Vorbehalt geltend machen.
Die zentralen Organe der AMRK sind die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte und der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte in Costa Rica. Beide bestehen jeweils nur aus sieben Mitgliedern. Somit sind nicht alle Unterzeichnerstaaten vertreten.
Im Unterschied zum europäischen System können Einzelpersonen den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte nicht direkt anrufen. Dazu befugt sind nur die Kommission der Organisation der Amerikanischen Staaten sowie die Vertragsstaaten. Im Gegensatz zum europäischen System überwacht die Umsetzung der Urteile der Interamerikanische Gerichtshof selbst und nicht ein unabhängiges Organ.
Weitere Erklärungen
Weit entwickelt ist auch der interamerikanische Menschenrechtsschutz im Rahmen der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS). Dort wurde bereits 1948, ein halbes Jahr vor Verabschiedung der AEMR, die „Amerikanische Erklärung der Rechte und Pflichten der Menschen” verabschiedet, die ein ähnlich breites Spektrum an Rechten verankerte wie die AEMR. Zusätzlich sah sie Pflichten vor, die aber keinerlei rechtspraktische Bedeutung entwickelten. Das zentrale Abkommen ist hier – analog zur EMRK in Europa – die Amerikanische Menschenrechtskonvention (1969/1978). Hinzu kommen das Zusatzprotokoll von San Salvador (1988/1999) sowie einige Abkommen, die auf die Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen oder Diskriminierung von Menschen mit Behinderung abzielen.
Arabische Charta der Menschenrechte
Vom 15. September 1994, überarbeitete Version von 2004 (Inkrafttreten: 15. März 2008)
Die Arabische Charta der Menschenrechte wurde am 15. September 1994 vom Rat der Liga der arabischen Staaten verabschiedet und lehnt sich sehr stark an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte an. Jedoch wurde erst eine überarbeitete Version von 2004 angenommen und 2008 rechtwirksam. Zwölf Mitgliedstaaten der Arabischen Liga hatten sie damals ratifiziert (Jordanien, Bahrain, Algerien, Syrien, Palästina, Libyen, Libanon, Katar, Saudi-Arabien, Jemen, die Vereinigten Arabischen Emirate und der Irak). Neben der Unterstützung durch das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte wurden internationale und regionale Menschenrechtsorganisationen in die Überarbeitung von 2004 einbezogen. Ein gravierendes Problem blieb jedoch auch in der überarbeiteten Version, nämlich dass kein effektiver Durchsetzungsmechanismus vorgesehen ist.
Die Arabische Charta der Menschenrechte ist in der westlichen Welt weitgehend unbekannt geblieben, obwohl diese Charta eine Reihe von Besonderheiten aufweist, zum Beispiel Artikel 4b und Artikel 10:
- Artikel 4
b) Im Falle eines öffentlichen Notstandes, der das Leben der Nation bedroht, können die Vertragsstaaten Maßnahmen ergreifen, die ihre Verpflichtungen aus dieser Charta in dem Umfang, den die Lage unbedingt erfordert, außer Kraft setzen. - Artikel 10
Die Todesstrafe darf nur für schwerste Verbrechen verhängt werden. (...)
Weiterführender Link:
Arabische Charta der Menschenrechte
Afrikanische Charta der Rechte der Menschen und Völker (Banjul-Charta)
Vom 27. Juni 1981 (Inkrafttreten: 21. Oktober 1986)
Dieser Vertrag, den alle afrikanischen Staaten unterzeichneten, trat 1986 in Kraft. In Anlehnung an die beiden UN-Menschenrechtspakte unterstreicht er bürgerliche, politische sowie wirtschaftliche und soziale Garantien. Dennoch unterscheidet sich die Afrikanische Charta der Rechte der Menschen und Völker in vielerlei Hinsicht von den übrigen menschenrechtlichen Verträgen:
- Die Präambel der „Afrikanischen Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker” beinhaltet keinen Verweis auf die Achtung demokratischer Prinzipien oder der Rechtsstaatlichkeit.
- Die Banjul-Charta enthält neben Individualrechten auch einen Katalog von Rechten der Völker, die sogenannten kollektiven Menschenrechte.
- Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages merkte 2005 kritisch an, „dass die garantierten Rechte mit einer großen Zahl sogenannter Schrankenklauseln versehen sind, die es den nationalen Gesetzgebern ermöglichen, weitreichende Einschränkungen der Schutzbereiche vorzunehmen”.
- Die Charta geht davon aus, dass der Genuss von Menschenrechten auch Pflichten der Bürgerinnen und Bürger mit sich bringen, die in Kapitel II genannt sind, zum Beispiel gegenüber Familie und Staat. „Das Individuum hat demnach Pflichten gegenüber der Familie, der Gesellschaft und der internationalen Gemeinschaft (Art. 27). Es wird verpflichtet, seine Mitmenschen ohne Diskriminierung zu respektieren und im zwischenmenschlichen Miteinander Toleranz zu fördern, zu schützen und zu stärken (Art. 28). Der Einzelne hat gemäß Art. 29 für eine harmonische Familie zu sorgen, seine Eltern zu respektieren, seine intellektuellen und physischen Fähigkeiten in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen, Steuern zu zahlen zum Wohle der Gemeinschaft, afrikanische kulturelle Werte aufrechtzuerhalten und die nationale Unabhängigkeit und territoriale Integrität seines Landes zu unterstützen" (Quelle: FES). Das unterscheidet sich von unserem Verständnis, dass jedem Menschen Menschenrechte garantiert sind, ohne Einschränkungen und zu erfüllende Pflichten.
Weiterführender Link:
Afrikanische Charta der Rechte der Menschen und Völker
Weitere Informationen
Autor: Internetredaktion LpB BW | letzte Aktualisierung: Dezember 2022.