1945 und heute: Folgen des Zweiten Weltkriegs

Der Zweite Weltkrieg hat seine Spuren in der deutschen Geschichte hinterlassen und wirkt noch bis in die Gegenwart hinein. Egal ob Orte, Gefühle, oder Politik - das Kriegsende begleitet uns auch heute.

Seit 1945 hat Deutschland einige geschichtliche Marksteine auf seinem Konto. Aufbau, Nachkriegsjahre, Wirtschaftswunder, Kalter Krieg, Bau und Fall der Mauer und schließlich das Ende der DDR. Dabei konnte sich das Land zu einer Wirtschaftsmacht entwickeln und eine Vorreiterrolle in Europa einnehmen. Diese Entwicklung war stets begleitet von den Anstrengungen der jeweiligen Regierung für die Grundwerte Freiheit, Demokratie und die Geltung der Menschenrechte und für die europäische Einigung. Heute ist Deutschland von Freunden und Partnern in Europa umgeben.

Noch Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges waren die meisten Deutschen weit davon entfernt, ihr Land als Aushängeschild zu sehen oder sich mit ihm zu identifizieren. Der jüngeren, hauptsächlich westdeutschen Bevölkerung mangelte es im Vergleich mit anderen europäischen Staaten - an Nationalbewusstsein. Die Identifikation der Deutschen mit der eigenen Nation erstarkte erst nach und nach, ausgelöst durch die friedliche Wiedervereinigung, später bei europäischen und internationalen Sportwettbewerben. Spätestens seit der Fußballweltmeisterschaft 2006 schwenken Deutsche ihre Nationalflagge wieder ganz ungehemmt  in der Öffentlichkeit. Sie singen selbstbewusst die Nationalhymne - etwas, das vielen vorher noch befremdlich war.

Die Kriegsschuld Deutschlands wirkte sich nicht nur sichtbar auf das Bewusstsein der Bundesbürger, sondern auch auf die deutsche Politik aus. Lange nahmen deutsche Regierungen eine eher zurückhaltende und wiedergutmachende Rolle auf internationalem Parkett ein. Deutschland war nach 1945 von den auferlegten Beschränkungen der Westalliierten geprägt. Die deutsche Außenpolitik war in den Nachkriegsjahren  durch Konrad Adenauers Leitlinie „Souveränitätsgewinn durch Souveränitätsverzicht“ charakterisiert. Indem die noch junge Bundesrepublik auf Souveränität verzichtete, gewann sie langfristig – nicht zuletzt durch die Westbindung – an Souveränität. Man wollte keine neue Angst bei den internationalen Partnern schüren und der Vergangenheit entschieden entgegentreten, indem man sich mit ihr auseinandersetzte.

Der Bundesrepublik gelang es jedoch mit einer verantwortungsvollen Politik, ihren Schatten aus der NS-Vergangenheit abzuschütteln. Der ehemalige Erzfeind Frankreich gilt spätestens seit dem Vertrag von Elysée von 1961 als enger Freund. Trotz des schrecklichen Holocaust, der Deutschland eine besondere Verpflichtung und Verantwortung gegenüber Israel  auferlegt, sind auch diese beiden Länder heute freundschaftlich, politisch und wirtschaftlich eng miteinander verbunden. Das Nachbarschaftsverhältnis mit Polen entlang der Oder-Neiße-Grenze ist ein gutes.

Deutschland spielt heute eine starke Rolle in Europa. Zum einen als Wirtschaftsmacht, aber auch als einflussreicher politischer Protagonist in der Außenpolitik. Mit einem neuen Selbstbewusstsein hat sich die Bundeswehr von einer reinen Verteidigungsarmee in den letzten Jahren zu einer Armee im Einsatz entwickelt. Presseberichte aus dem Ausland spiegeln regelmäßig Bedenken über diese mächtige Stellung des ehemaligen Nazi-Deutschlands im europäischen Gefüge. Auch rechtsextremistische Auswüchse oder Europa-feindliche Positionen, die in Deutschland wieder vermehrt Einzug halten, lassen international aufmerken.

Währenddessen ist der Zweite Weltkrieg für ältere Deutsche immer noch Teil ihres Alltags. Viele leiden an den Spätfolgen des Krieges. Einer Studie des Uniklinikums Leipzig zufolge häufen sich Posttraumatische Belastungsstörungen im Alter besonders in Deutschland. Die ständige Angst vor Bomben¬angriffen und erlittenen Vertreibungen, Erlebnisse aus einer Inhaftierung oder Schreckensbilder aus Kampfhandlungen haben sich fest in der Seele der Kriegsgeneration eingebrannt. An sich völlig harmlose Dinge aus dem Alltag, bestimmte Orte, Aktivitäten, Gerüche oder Geräusche, können dazu führen, dass die Betroffenen das Trauma in Bildern und Gefühlen erneut durch¬leben. Depressionen, Schlafstörungen, Ängste, Konzentrationsschwierigkeiten und sozialer Rückzug können die Folgen sein.

Aber auch konkret fassbare Überreste des Krieges tauchen dann und wann auf. Immer wieder stoßen Experten auf alte Bomben aus der Kriegszeit. Zehntausende sollen noch unter deutschem Boden liegen. Jedes Jahr sprengen und entschärfen die Räumdienste der Bundesländer rund 5.000 Weltkriegsbomben. Weniger gefährlich, dafür umso wertvoller war ein Fund aus dem Jahr 2012. Verschollen geglaubte NS- Kunstschätze kamen ans Tageslicht. Cornelius Gurlitt aus München-Schwabing, Sohn des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt (1895–1956), hatte hunderte Bilder, die unter NS-Raubkunstverdacht stehen, in seiner Wohnung gehortet.

Dabei scheint es, als ob das allgemeine Wissen über das Kriegsende langsam weniger wird. Laut der Memo-Jugendstudie der Universität Bielefeld kennt jeder zweite Jugendliche den Zeitraum der Naziherrschaft nicht.

An deutschen Lehr- und Bildungsplänen kann das nicht liegen. Darin ist der Zweite Weltkrieg fester Bestandteil. Schüler und Schülerinnen sollen die nationalsozialistische Vergangenheit beurteilen können und ein Bewusstsein für die historische Verantwortung Deutschlands entwickeln, die sich aus der NS-Vergangenheit ergibt.

Um der historischen Verpflichtung Deutschlands Rechnung zu tragen, fördern Bund und Länder Gedenkstätten und entsprechende Initiativen. Die Bundesregierung trägt mit der Gedenkstättenkonzeption dazu bei, unter Wahrung der grundsätzlichen Zuständigkeit der Länder und Kommunen, geeignete Rahmenbedingungen für die Gedenkstättenarbeit zu schaffen. Ziel der Gedenkstätten ist es, Verantwortung wahrzunehmen, die Aufarbeitung zu verstärken und das Gedenken zu vertiefen. Sie sollen mit Forschungsarbeiten, Dokumentationen, Ausstellungen, Veröffentlichungen und Veranstaltungen ihren spezifischen Anteil zur Darstellung der Orts-, Regional- und Landesgeschichte während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft leisten. Viele Menschen in Deutschland engagieren sich ehrenamtlich für die Gedenkstättenarbeit. Sie schaffen damit einen grundlegenden und unverzichtbaren Beitrag zum bewussten Umgang mit der Geschichte und zur Demokratieerziehung.

Die Gedenkfeiern zum Kriegsende am 8. Mai 1945 sollen schließlich jedes Jahr an Frieden und Freiheit erinnern und jeden Einzelnen mahnen, sich gegen Gewalt und Diktatur abzugrenzen.

Zum 40. Jahrestag der Beendigung des Krieges in Europa und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft hat der unlängst verstorbene ehemalige Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985 eine Rede gehalten, die wohl zu den bedeutenden Ereignissen in der Geschichte Deutschlands gehört.

„Bei uns ist eine neue Generation in die politische Verantwortung hereingewachsen. Die Jungen sind nicht verantwortlich für das, was damals geschah. Aber sie sind verantwortlich für das, was in der Geschichte daraus wird. Wir Älteren schulden der Jugend nicht die Erfüllung von Träumen, sondern Aufrichtigkeit. Wir müssen den Jüngeren helfen zu verstehen, warum es lebenswichtig ist, die Erinnerung wachzuhalten." (Richard von Weizsäcker)

 

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