Januar 2013

Ingeborg Drewitz (1923 – 1986): Politisch engagierte Schriftstellerin

Am 10. Januar 2013 wäre sie 90 Jahre alt geworden: die Schriftstellerin Ingeborg Drewitz. Als Tochter einer Pianistin und eines Ingenieurs wächst sie als Ingeborg Neubert in ihrer Geburtsstadt Berlin auf und studiert nach dem Abitur Philosophie, Germanistik und Geschichte. 1945 beendet sie ihr Studium mit einer literaturwissen-schaftlichen Promotion an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin.

1946 heiratet Ingeborg Neubert ihren aus dem Krieg zurück gekehrten Jugendfreund Bernhard Drewitz. Gemeinsam haben die beiden drei Töchter; ein viertes Kind stirbt bei der Geburt.

 

"Für mich ist es wichtig, daß du so warst, wie ich zu sein versuche: Nicht angepaßt, empfindlich für die, die draußen stehen, zornig gegenüber der aalglatten Routine, wach für die Fingerspitzengefühle von Mensch zu Mensch, von den Sorgen um die eigenen Kinder immer wieder erreicht, eifernd im Protest, weil von der sozialen und demokratischen Verantwortung überzeugt...
Bettine, Schwester, Freundin, anderes Ich… bleib du mir nahe mit Deinem Mut!"

(Ingeborg Drewitz, „Brief an Bettine von Arnim“, 1983)

 

Die Schriftsellerin und Publizistin

Ab Ende der 1940er Jahre wird Ingeborg Drewitz, die schon seit ihrer Jugendzeit schreibt, als Schriftstellerin aktiv und veröffentlicht zunächst Hörspiele und Theaterstücke.

1955 wird "Alle Tore waren bewacht" uraufgeführt und findet große Beachtung: Erstmals werden in einem deutschen Drama Lebens- und Todeserfahrungen in nationalsozialistischen Konzentrationslagern auf die Bühne gebracht. Drewitz thema-tisiert die Verschleppung und Ermordung von Jüdinnen zu einer Zeit, als der Holocaust, d.h. die Vernichtung der europäischen Juden, in Deutschland noch kaum öffentliche Aufmerksamkeit findet.

Nach mehreren Erzählungen erscheint 1958 Drewitz erster Roman "Der Anstoß". Für sich selbst schreibt Ingeborg Drewitz Gedichte und Tagebuch.
Viele ihrer Romane spielen in Berlin und setzen sich mit der Zeit des Nationalsozialismus und mit aktuellen Themen der deutschen Nachkriegsgeschichte auseinander. Und immer wieder geht es Ingeborg Drewitz um die gesellschaftliche Rolle von Frauen.

Ihr erfolgreichster Roman "Gestern war Heute. Hundert Jahre Gegenwart" (1978) ist stark autobiographisch geprägt. Im Mittelpunkt dieses Buches stehen drei Frauengenerationen des 20. Jahrhunderts.
1986 erscheint ihr letzter Roman "Eingeschlossen".

Mehrere Lesereisen führen Drewitz durch Europa, Afrika und die USA.
Von 1973 bis 1980 übernimmt sie Lehraufträge am Institut für Publizistik der Freien Universität Berlin. 1985 ist sie Jury-Mitglied beim renommierten Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt.



Buchcover „Gestern war heute“, Goldmann-Verlag 1978.

Gesellschaftspolitisches Engagement

Über fast drei Jahrzehnte ist Drewitz als Autorin von Dramen, Hörspielen, Erzählungen und Romanen ungeheuer produktiv – aber auch als vielseitig engagierte Bürgerin im Einsatz für die, "die draußen stehen".

Mit Reden, Aufsätzen, Aktionen und in der Verbandsarbeit streitet sie für Frauen, für gesellschaftliche Randgruppen, ist aktiv bei amnesty international und in der Friedensbewegung.
Bereits 1961 befasst sich Drewitz in ihrem Aufsatz „Gespaltenes oder doppeltes Leben? Gedanken über die Frau als Künstlerin“ mit dem Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Ungewöhnlich ist sicher Ingeborg Drewitz Einsatz für Literaturprojekte von und mit Strafgefangenen. Durch das Engagement der Schriftstellerin erhalten sie die Chance, publiziert zu werden. Neben der literarischen Arbeit mit Häftlingen kümmert sich Drewitz immer auch um die Verbesserung von deren Lebensbedingungen während und nach der Haft.

Ingeborg Drewitz ist Mitbegründerin des Verbands deutscher Schriftsteller und lange Jahre dessen stellvertretende Vorsitzende. Als Vize-Präsidentin des deutschen PEN-Zentrums ist ihr vor allem die Entspannung zwischen Bundesrepublik und DDR ein wichtiges Anliegen.



„Berliner Begegnung zur Friedensförderung 1981“ wurde in der DDR-Hauptstadt eröffnet. Ingeborg Drewitz bei der „Berliner Begegnung zur Friedensförderung“ 1981 neben Schrifstellerkollegen aus beiden deutschen Staaten.
Foto: Bundesarchiv, Bild 183-Z1213-027 / Senft, Gabriele / CC-BY-SA - Berlin

Für ihr literarisches Schaffen wie auch für ihr gesellschaftspolitisches Engagement erhält Ingeborg Drewitz zahlreiche Auszeichnungen. Noch zwei Tage vor ihrem Tod wird ihr in Rom der „Premio Minerva“ des „Club delle donne“ verliehen – für ihre „sozialen und politischen Kämpfe zugunsten der Frauen und der Menschlichkeit“.

Am 26. November 1986 stirbt Ingeborg Drewitz im Alter von 63 Jahren in Berlin an den Folgen einer Krebserkrankung. Ihr Grab findet sich auf dem Friedhof in Berlin-Zehlendorf.

Wie an sie erinnert wird

Am ehemaligen Wohnhaus der Schriftstellerin im Quermathenweg 178 in Berlin erinnert eine Gedenktafel an Ingeborg Drewitz. In Berlin-Steglitz wird die Stadtbibliothek nach ihr benannt.


Gedenktafel an Ingeborg Drewitz in Berlin-Zehlendorf Foto: wikimedia commons, OTFW, Berlin, GNU-Lizenz

„In diesem Hause lebte und arbeitete von 1946 bis zu ihrem Tode die Schriftstellerin Ingeborg Drewitz. Ihre Berliner Romane, Erzählungen und dramatischen Werke handeln vom Schicksal der „kleinen Leute“ und reflektieren die gesellschaftliche Entwicklung. In zahlreichen Gremien engagierte sie sich für die Belange der Literaten.“

Inschrift auf der Gedenktafel an Ingeborg Drewitz Wohnhaus in Berlin-Zehlendorf

2 nach Ingeborg Drewitz benannte Preisstiftungen erinnern auch nach ihrem Tod an ihr gesellschaftspolitisches Engagement:

  • Die Humanistische Union Berlin stiftet 1987 den Ingeborg-Drewitz-Preis, der in unregelmäßigen Abständen an Menschen und Einrichtungen verliehen wird, die sich in besonderem Maß für die Menschenwürde benachteiligter und verfolgter Personen einsetzen.
    Ingeborg-Drewitz-Preis

  • Zum Gedenken an Ingeborg Drewitz Engagement für die Belange inhaftierter Menschen wird 1988 der Ingeborg-Drewitz-Literaturpreis für Gefangene ins Leben gerufen. Grundidee dieses deutschlandweit einzigartigen Preises ist es, Inhaftierte zu Wort kommen zu lassen und authentisch über deren Erfahrungen informiert zu werden. Aus den eingesandten Erzählungen, Gedichten, Tagebuchaufzeichnungen, Reportagen, Briefen und Hörspielen wählt eine Jury gelungene und eindrucksvolle Texte aus und veröffentlicht sie in Buchform. Seit 1989 sind acht Anthologien mit Gefangenen-Literatur erschienen.
    Ingeborg-Drewitz-Literaturpreis für Gefangene

 

 

Januar 2013 (Bea Dörr)

 


 

Werke von Ingeborg Drewitz (Auswahl)

  • Hörspiele. Fischerhude: Atelier im Bauernhaus 1977
  • Und hatte keinen Menschen.
    Berlin/Witten: Eckart-Verlag 1955
  • Der Anstoß. Roman.
    Bremen: Schünemann 1958
  • Im Zeichen der Wölfe.
    Göttingen: Sachse & Pohl 1962
  • Eine fremde Braut.
    Erzählungen. München: Claudius-Verlag 1968
  • Bettine von Arnim. Romantik - Revolution - Utopie.
    Biographie. Düssel-dorf/Köln: Diederichs 1969
  • Das Karussell. Roman.
    Göttingen: Sachse & Pohl 1969
  • Wer verteidigt Katrin Lambert? Roman.
    Stuttgart: Werner Gebühr 1974
  • Das Hochhaus. Roman.
    Stuttgart: Werner Gebühr 1975
  • Gestern war heute: Hundert Jahre Gegenwart. Roman.
    Düsseldorf: Claassen 1978
  • Zeitverdichtung: Essays, Kritiken, Portraits; gesammelt aus 2 Jahrzehnten.
    Wien/München/Zürich: Europaverlag 1980
  • Mein indisches Tagebuch.
    Stuttgart: Radius-Verlag 1983
  • 1984 - am Ende der Utopien: Literatur und Politik; Essays.
    München: Goldmann 1984
  • Hinterm Fenster die Stadt. Aus einem Familienalbum.
    Düsseldorf: Claassen 1985
  • Lebenslehrzeit. Autobiographie 1932-1946.
    Stuttgart: Radius 1985
  • Eingeschlossen. Roman.
    Düsseldorf. Claassen 1986
  • Junge Menschen messen ihre Erwartungen aus, und die Messlatten stimmen nicht mehr – die Herausforderung: Tod.
    Stuttgart: Radius 1986
  • Bahnhof Friedrichstrasse. Hg. v. Agnes Hüfner.
    Hildesheim: Claassen 1992

 

Weiterführende Links und Literatur:

  • fembio: Ingeborg Drewitz
  • wikipedia.org: Ingeborg Drewitz

  • Barbara Becker-Cantarino, Inge Stephan (Hg.):
    „Von der Unzerstörbarkeit des Menschen“. Ingeborg Drewitz im literarischen und politischen Feld der 50er bis 80er Jahre.
    Bern u.a. 2005
  • Häussermann, Titus (Hg.):
    Ingeborg Drewitz. Materialien zu Werk und Wirken.
    Unter Mitarbeit von Bernhard Drewitz und Christa Melchinger.
    Stuttgart 1983
  • Schweikert, Uwe:
    Ingeborg Drewitz – Die ganze Welt umwenden: ein engagiertes Leben.
    Düsseldorf 1987

 

 

 

 

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