Chronik des Wendejahres 1989

Die Friedliche Revolution von 1989 fegte das Regime in der DDR hinweg und erzwang den Fall der Mauer. Mutig und selbstbewusst haben die Bürgerinnen und Bürger der DDR den Prozess zur Einheit vorangetrieben. Ein Jahr später war Deutschland, 41 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik, wieder vereinigt.
Was ist eine Chronik? Was steht auf dieser Seite?
Diese Seite ist die Chronik des Wendejahrs 1989. Eine Chronik listet Ereignisse auf. Hier ist genau beschrieben, was nacheinander im Jahr 1989 passiert ist. Und wir erklären die wichtigsten Begriffe zur Wende leicht verständlich in einfacher Sprache.
Kurz & knapp: Die Wende im Jahr 1989
Deutsche Geschichte einfach erklärt
Was ist die Wende?
Bis zum Jahr 1990 war Deutschland in zwei Länder geteilt: die Bundesrepublik Deutschland (BRD) im Westen und die Deutsche Demokratische Republik (DDR) im Osten. Die DDR war eine Diktatur. In ihr herrschte nur eine Partei, die SED, und die Menschen durften nicht frei ihre Meinung sagen und wurden durch die Mauer am Verlassen des Landes gehindert.
Der Begriff „Wende“ oder auch Wendezeit beschreibt die Ereignisse 1989: Die Menschen in der DDR wollten ihre Regierung und die Staatsform nicht mehr. Die Friedliche Revolution führte zum Mauerfall und zur Wiedervereinigung Deutschlands. Was das bedeutet, erklären wir hier.
Was ist die „Friedliche Revolution“?
Ein Aufstand ohne Gewalt ist eine friedliche Revolution. In Deutschland meinen wir damit die Friedliche Revolution 1989. Die Menschen in der DDR gingen auf die Straße und protestierten gegen die DDR. Sie wollten Meinungsfreiheit und freie Wahlen. Und sie wollten wieder in den Westen reisen können. Die Friedliche Revolution war erfolgreich, denn es gab den im November den Mauerfall.
Was ist der Mauerfall?
Durch Deutschland lief eine 1.400 km lange Grenze, die auch eiserner Vorhang genannt wurde. Die Mauer lief mitten durch Berlin und trennte die Stadt. Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer wegen der friedlichen Revolution. Das bedeutet, dass die Menschen in Ostdeutschland wieder nach Westberlin gehen konnten. Aber es bedeutete auch mehr: Deutschland war nicht mehr geteilt.
Wie ging es weiter? Die Wiedervereinigung
Wiedervereinigung heißt, dass die beiden Teile Deutschlands wieder zusammen kamen: Die DDR und die Bundesrepublik Deutschland wurden wieder zu einem Staat. In diesem Staat leben wir heute. Die Wiedervereinigung war am 3. Oktober 1990.
Warum ist die Wende für Deutschland so wichtig?
Deutschland war lange geteilt. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Deutschland in Besatzungszonen aufgeteilt, dann in Westdeutschland und Ostdeutschland mit der DDR. Menschen konnten ihre Freunde im anderen Teil Deutschlands immer schwerer besuchen. Nach der Wende war Deutschland wieder ein Land.
Selten geschehen große politische Veränderungen ohne Gewalt. Bei der Friedlichen Revolution aber nutzten die Menschen und der Staat keine Gewalt – und trotzdem änderte sich etwas. Das macht es so besonders.
Januar 1989
1.1. Eine neue DDR-„Reiseverordnung“ tritt in Kraft, welche die Möglichkeiten zu Privatreisen in den Westen beziehungsweise auf ständige Ausreise erweitert. Von oppositionellen Gruppierungen und Kirchen wird sie als zu eng und bürokratisch kritisiert.
3.1. Die Zentrale Erfassungsstelle Salzgitter, die akribisch Menschenrechtsverletzungen im anderen Teil Deutschlands verzeichnet, registriert für 1988 1.232 Gewaltakte gegen DDR-Bürger.
9.1. Neun DDR-Bürger flüchten in die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin, um die Ausreise zu erzwingen. „Die Mauer wird in 50 und auch noch in 100 Jahren bestehen, wenn die dazu vorhandenen Gründe noch nicht beseitigt sind“, sagt SED-Chef Erich Honecker auf einer Tagung in Ost-Berlin.
13.1. Die Sozialdemokratische Partei Ungarns wird in Budapest wieder gegründet.
15.1. Polen fordert vor dem Besuch des polnischen Ministerpräsidenten Rakowski in Bonn die Garantie seiner Westgrenze auch im Falle einer deutschen Wiedervereinigung.
16.1.: Die regierende Polnische Kommunistische Partei beschließt die Wiederzulassung der seit 1981 verbotenen unabhängigen Gewerkschaft Solidarnosc. Sie wird am 17. April wieder legalisiert.
Februar bis Mai 1989
Februar
6.2. Der 20-jährige Chris Gueffroy wird bei einem Fluchtversuch an der Mauer von Grenzsoldaten erschossen. Er ist das letzte Todesopfer, das durch den Einsatz von Schusswaffen an der Grenze ums Leben kam.
7.2. Erstes Treffen in Polen am Runden Tisch zwischen Regierung und Opposition. Solidarnosc-Chef Lech Walesa sieht gute Chancen auf eine Einigung.
21.2. Der Regimekritiker, Schriftsteller und spätere Staatspräsident der Tschechischen Republik Václav Havel wird in Prag wegen „Rowdytums“ zu neun Monaten Gefängnis verurteilt. Am 17. Mai wird er nach massiven Protesten aus dem In- und Ausland vorzeitig aus der Haft entlassen.
März
8.3. Winfried Freudenberg verunglückt bei seinem Fluchtversuch mit einem Ballon tödlich. Er ist das letzte Todesopfer an der Mauer.
21. 3. Der sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow unterzeichnet ein Dekret zur Reduzierung der sowjetischen Streitkräfte um eine halbe Million Mann bis Ende 1990. Wenige Tage zuvor hatte bereits die Tschechoslowakei einen Truppenabbau beschlossen. Polen hatte am 4. März mit der angekündigten Truppenreduzierung begonnen.
Mai
2.5. Ungarn kündigt den Abbau des „Eisernen Vorhangs“, der Grenzsicherungsanlagen an der Grenze zu Österreich, an und beginnt mit den Arbeiten.
7.5. In der DDR finden Kommunalwahlen statt. Bürgerrechtler kontrollieren die Stimmauszählungen und decken Wahl fälschungen auf. In Leipzig demonstrieren 1.000 Menschen auf dem Altmarkt gegen den Wahlbetrug.
8.5. Erstmals wird zu einem Friedensgebet in der Leipziger Nikolaikirche ein Polizeikessel gebildet. Die Friedensgebete, fortan auch Montagsgebete genannt, hatten einen immer größeren Zulauf, unter anderen von Ausreisewilligen, verzeichnet. Am Rande der folgenden Friedensgebete gibt es zunehmend Polizeikontrollen, Übergriffe und Verhaftungen.
18.5. Der litauische Oberste Sowjet erklärt die Unabhängigkeit Litauens.
Juni bis Juli 1989
Juni
4.6. Die seit Wochen andauernden friedlichen Studentenproteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking werden blutig niedergeschlagen. SED- Politbüromitglied Egon Krenz rechtfertigt das gewaltsame Vorgehen gegen die Studenten. Am 6. Juni werden 16 Ost-Berliner Bürgerrechtler nach Protesten gegen die Ereignisse in Peking festgenommen.
4.6. Der 4. Juni 1989 gilt in Polen als der Tag für die Befreiung vom Kommunismus. An diesem Tag haben in Polen die ersten halbfreien Parlamentswahlen stattgefunden, nur ein Drittel der Abgeordneten durfte frei gewählt werden. Zuvor hatten sich die Opposition und die Regierungsseite am „Runden Tisch“ auf die Durchführung dieser Wahlen geeinigt, an der sich erstmals seit 1945 die oppositionelle Solidarnosc beteiligen konnte. In den Sejm werden alle Kandidaten der Solidarnosc gewählt, im Senat gewinnen sie 99 der 100 Mandate. Das revolutionäre Wahlergebnis hatte Auswirkungen auf ganz Osteuropa.
12.6. KPdSU-Generalsekretär Gorbatschow ist zu einem mehrtägigen Besuch in der Bundesrepublik. In einer gemeinsamen Erklärung versichern beide Staaten, zur Überwindung der Trennung Europas beizutragen.
26.6. Nach dem Friedensgebet in Leipzig nimmt die Polizei den Oppositionellen Sven Kulow fest. Er wird zusammengeschlagen und bis zur Amnestie im Oktober inhaftiert.
27.6. Die Außenminister von Ungarn und Österreich Gyula Horn und Alois Mock, schneiden demonstrativ vor laufenden Kameras ein Loch in den Stacheldrahtzaun der Grenze. Bpb: Das Loch im Eisernen Vorhang
28.6. ZK-Generalsekretär Erich Honecker reist in die Sowjetunion und besucht Gorbatschow, der ihn zu Reformen drängt.
Juli
1.7. DDR-Bürgern wird daraufhin die Möglichkeit eingeräumt, staatliche Entscheidungen in Reiseangelegenheiten gerichtlich überprüfen zu lassen.
3.7. Nach dem Montagsgottesdienst in der Leipziger Nikolaikirche nimmt die Polizei neun Menschen fest.
7.7. Der Warschauer Pakt widerruft auf seiner Jahrestagung die „Breschnew Doktrin“ über die eingeschränkte Souveränität der Ostblockstaaten. Tags darauf kommt es zu heftigen Kontroversen zwischen Reformbefürwortern (Sowjetunion, Ungarn, Polen) und Reformgegnern (DDR, CSSR, Rumänien)
August bis September 1989

August
5.8. Erstmals nimmt die DDR-Regierung im DDR-Fernsehen Stellung zur Flucht von DDR-Bürgern in die Botschaften der Bundesrepublik in Ost-Berlin, Prag, Warschau und Budapest. Die Flüchtlinge werden davor gewarnt, ihre Ausreise auf diese Weise erzwingen zu wollen. Die Bundesrepublik wird am 7. August vom DDR-Außenministerium der Einmischung in „innere Angelegenheiten“ bezichtigt. Die Ständige Vertretung in Ost-Berlin muss wegen Überfüllung (130 Flüchtlinge) vorübergehend ihren Publikumsverkehr einstellen, am 19. September wird auch die Botschaft in Warschau geschlossen.
13.8. Am Jahrestag des Mauerbaus demonstrieren Ausreisewillige am Brandenburger Tor in Berlin. Am 14. August verkündet Erich Honecker: „Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf.“
19.8. Fast 700 DDR-Bürgerinnen und -Bürger nutzen ein „Paneuropäisches Picknick“ im grenznahen St. Margareten im Burgenland und in Sopron, um von Ungarn aus über die Grenze nach Österreich zu flüchten. In einem symbolischen Akt wird das Grenztor für drei Stunden geöffnet. Trotz des bestehenden Schießbefehls greifen die ungarischen Grenzsoldaten nicht ein.
September
4.9. In Leipzig versammeln sich im Anschluss an das Friedensgebet in der Nikolaikirche auf dem Kirchvorplatz rund 1.000 Menschen. In den Nebenstraßen ist die Volkspolizei aufgefahren. Auf selbstgemalten Transparenten werden mehr Freiheiten und Rechte für die DDR-Bürger verlangt. Rufe wie „Wir wollen raus“, „Stasi raus“ und „Mauer weg“ waren zu hören. Aber auch „Wir bleiben hier“. Die Behörden greifen zunächst nicht ein, nur die Transparente werden eingezogen. Diese Vorgänge werden von den anwesenden westlichen Kameras gefilmt und in die ganze Welt übertragen. Es ist die Geburtsstunde der Montagsdemonstrationen.
10.9. Das „Neue Forum“ veröffentlicht unter der Überschrift „Aufbruch 1989“ den von 30 Bürgerrechtlern unterzeichneten Gründungsaufruf der DDR-weiten Oppositionsbewegung. Der Zulassungsantrag wird am 21. September von den DDR-Behörden abgelehnt – mit der Begründung, die Bewegung sei „staatsfeindlich“. Am 14. Oktober findet die erste Landeskonferenz des „Neuen Forums“ in Berlin statt. Bis zum Ende des Jahres unterzeichnen insgesamt 200.000 DDR-Bürgerinnen und -Bürger den Aufruf.
11.9. Nach einem Geheimtreffen mit Bundeskanzler Helmut Kohl auf Schloss Gymnich bei Bonn gibt die ungarische Regierung am 11. September 1989 bekannt, dass DDR-Bürger legal von Ungarn nach Österreich fahren können. In der Nacht vom 10. auf den 11. September öffnet Ungarn seine Grenze: Zehntausende Menschen aus der DDR überqueren sie in den folgenden Tagen und Wochen in Richtung Westen.
12.9. Gründungsaufruf von „Demokratie Jetzt!“ in der DDR. Die Anhänger der Oppositonsgruppe stammen vor allem aus kirchlichen Kreisen. Sie fordern eine friedliche und demokratische Umgestaltung der DDR, dazu gehören „solidarische Gesellschaft", „Freiheit und Menschenwürde für alle", ein „lebendiger Pluralismus" sowie Rechtsstaatlichkeit. „Demokratie Jetzt" hat seinen Ursprung im innerkirchlichen Arbeitskreis „Initiative Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung".
16.9. Vertreter der evangelischen und der katholischen Kirche in der DDR appellieren, die Ursachen für die Ausreise- und Fluchtwelle von DDR-Bürgern zu beseitigen.
24.9. In Leipzig treffen sich Vertreter des „Neuen Forums“, des „Demokratischen Aufbruchs“, von „Demokratie Jetzt“, der „Vereinigten Linken“ und weiterer oppositioneller Gruppen.
30.9. Bundesaußenminister Hans Dietrich Genscher verkündet vom Balkon der überfüllten Prager Botschaft in bewegenden Worten, dass die Ausreise der dort versammelten DDR-Flüchtlinge genehmigt sei. „Liebe Landsleute, wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise ... (die übrigen Worte gingen im Jubelsturm unter:) ... in die Bundesrepublik Deutschland möglich geworden ist.“ In den nächsten Tagen fahren mehrfach Züge mit insgesamt 17.000 Flüchtlingen von Prag über die DDR in die Bundesrepublik, da die Prager Botschaft mehrmals erneut besetzt wird. Am 4. Oktober kommt es bei der Durchfahrt durch den Dresdner Hauptbahnhof zu Ausschreitungen, als Tausende Dresdner versuchen, in die Züge zu gelangen.
Genscher Prage Botschaft
(YouTube Video: Hans Dietrich Genscher auf dem Balkon der Prager Botschaft, ZDF)
Oktober 1989
7.10. Am 40. Jahrestag der Gründung der DDR wird in Schwante bei Berlin von Markus Meckel, Martin Gutzeit und anderen die Sozialdemokratische Partei der DDR (SDP) gegründet. Die Feiern der SED- und Staatsführung zum Jubiläum in Berlin sichert unterdessen ein riesiges Polizeiaufgebot. Im Umfeld kommt es bei Demonstrationen zu Verhaftungen und massiver Gewalt. Gast der staatlichen Feierlichkeiten ist KPdSU-Generalsekretär Gorbatschow, der mit seiner Politik von Glasnost und Perestroika (zu deutsch: Offenheit und Umbau) auch bei den DDR- Bürgern Hoffnungen auf demokratische Reformen geweckt hatte.
8.10. Gründung der „Gruppe der 20“ in Dresden. Die rund 20 Dresdner Bürger wurden während der Demonstration an diesem Tag beauftragt, mit den Behörden über politische Forderungen zu reden. Noch am 7. und 8. Oktober fanden in vielen Städten Verhaftungen und gewalttätige Übergriffe auf Demonstrantinnen und Demonstranten statt.
9.10. Die bislang größte Montagsdemonstration mit 70.000 Menschen - trotz schwer bewaffneter Einheiten von Polizei, Volksarmee und Staatssicherheit - in Leipzig wird zum „Tag der Entscheidung“. Die SED-Führung wagt es trotz Drohungen im Vorfeld nicht, die Demonstration gewaltsam aufzulösen. Am darauffolgenden Montag, dem 16. Oktober, sind es bereits 100.000 Teilnehmer. Immer mehr Menschen verloren seit dem 9. Oktober die Angst und brachten auf den Straßen ihren Willen zur Veränderung zum Ausdruck. Am 21. Oktober finden zahlreiche Demonstrationen in der ganzen DDR statt.

17.10. An diesem Tag findet die entscheidende Sitzung des Politbüros statt. Gleich zu Beginn stellt der Vorsitzende des Ministerrates, Willi Stoph, den Antrag, Erich Honecker von seinen Funktionen zu entbinden. „Erich, es geht nicht mehr. Du musst gehen“. Das SED-Politbüro beschließt einstimmig die Absetzung Erich Honeckers.
18.10. Erich Honecker bittet das Zentralkomitee der SED, ihn „aus gesundheitlichen Gründen“ von den Ämtern des Generalsekretärs und des Staatsratsvorsitzenden zu entbinden. Zum neuen Generalsekretär des SED-Zentralkomitees wird auf seinen Vorschlag Egon Krenz gewählt. Egon Krenz kündigt die Einleitung einer „Wende“ und die Verabschiedung neuer Reisebestimmungen an: „Fest steht, wir haben in den vergangenen Monaten die gesellschaftliche Entwicklung in unserem Lande in ihrem Wesen nicht real genug eingeschätzt und nicht rechtzeitig die richtigen Schlussfolgerungen gezogen“.
25.10. Stasi-Chef Erich Mielke weist erhöhte Kampfbereitschaft und das Tragen der Schusswaffe an.
26.10. Vertreter der „Gruppe der 20“ fordern bei ihrem ersten Auftritt vor der Dresdner Stadtverordnetenversammlung freie Wahlen.
27.10. Der DDR-Staatsrat beschließt eine Amnestie für Flüchtlinge und nicht-gewalttätige Demonstranten. Bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe drohen jedem, der ohne staatliche Genehmigung das Gebiet der DDR verlässt.
30.10. Der Chef der Staatlichen Plankommission der DDR, Gerhard Schürer, und andere führende DDR-Wirtschaftsexperten legen dem SED-Politbüro eine „Analyse der ökonomischen Lage der DDR mit Schlussfolgerungen“ vor, aus der hervorgeht, dass „ein Stoppen der Verschuldung“ im Jahr 1990 „eine Senkung des Lebensstandards um 25 bis 30 Prozent erforderlich und die DDR unregierbar machen“ würde.
November 1989
1.11. SED-Generalsekretär Egon Krenz besucht Moskau. Präsident Gorbatschow lehnt wirtschaftliche Hilfen für die DDR ab. Krenz lehnt in einer Pressekonferenz die Wiedervereinigung Deutschlands ab. Der Status Quo sichere den Frieden in Europa. Zehntausende demonstrieren für Veränderungen in der DDR.
2.11. Unter dem politischen Druck der Massenproteste treten unter anderem der Chef des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes Harry Tisch, die Vorsitzenden von CDU und NDPD sowie Volksbildungsministerin Margot Honecker zurück.
3.11. Die Ostberliner Führung gestattet ihren Bürgern die direkte Ausreise aus der Tschechoslowakei in den Westen, nachdem erneut 5.000 Menschen in die Prager Botschaft geflüchtet sind. Bis zum Ende der ersten Novemberwoche haben über 200.000 Ostdeutsche ihren Weg nach Westdeutschland gefunden, zu denen noch etwa 300.000 deutschstämmige Immigranten aus Osteuropa hinzukommen.
4.11. Größte Massendemonstration in der Geschichte der DDR auf dem Berliner Alexanderplatz. Hunderttausende fordern Reformen, freie Wahlen, Presse- und Meinungsfreiheit. Auf der anschließenden Kundgebung sprechen der Theologe Friedrich Schorlemmer, Rechtsanwalt Gregor Gysi, Hochschulrektor Lothar Bisky, die Schriftsteller Stefan Heym, Christa Wolf, der Dramatiker Heiner Müller, als Vertreter des Neuen Forums sprechen Jens Reich, Marianne Birthler für die Initiative Frieden und Menschenrechte sowie die Schauspieler Steffie Spira, Ulrich Mühe und Jan Josef Liefers. Unter den Rednern sind auch das Politbüromitglied Günter Schabowski und der ehemalige Mielke-Stellvertreter Markus Wolf. Beide werden ausgepfiffen.
6.11. Der Entwurf eines neuen Reisegesetzes wird veröffentlicht. Er sieht vor, dass alle Bürger der DDR das Recht haben sollten, ohne harte Währung für einen Monat im Jahr ins Ausland zu reisen, vorausgesetzt dass sie einen gültigen Reisepass und ein Visum besitzen. Die vorgesehenen Bestimmungen stoßen allerdings auf massive Kritik. Mehrere Hunderttausend Menschen fordern auf einer Massendemonstration in Leipzig „ein Reisegesetz ohne Einschränkungen“. Zum ersten Mal kommt es zur Forderung: „Wir brauchen keine Gesetze - die Mauer muss weg!“
7.11. Die gesamte DDR-Regierung, der DDR-Ministerrat, tritt zurück.
8.11. Das gesamte SED-Politbüro tritt zurück.
9.11. Am Nachmittag informiert Egon Krenz das Zentralkomitee der SED von der getroffenen Entscheidung der Regierung über die neuen Reisebestimmungen. Auf der Pressekonferenz, die am Abend über die Ergebnisse der Politbürositzung informiert, teilt Politbüromitglied Günter Schabowski mit, dass ab sofort die Ausreise ins westliche Ausland ohne das Vorliegen besonderer Gründe möglich ist.
„Und deshalb haben wir uns dazu entschlossen, heute eine Regelung zu treffen, die es jedem Bürger der DDR möglich macht, über Grenzübergangspunkte der DDR auszureisen. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt...Das tritt nach meiner Kenntnis, ist das sofort, unverzüglich.“
Tausende von DDR-Bürgerinnen und -Bürgern machen sich auf den Weg zur Grenze. Grenzposten entscheiden sich angesichts tumultartiger Szenen, die Grenzen aufzumachen. Die Mauer ist gefallen. Tausende überqueren noch in der gleichen Nacht die Grenze. Bundeskanzler Helmut Kohl bricht tags darauf seinen Polenbesuch ab, um am Abend vor dem Schöneberger Rathaus in West-Berlin auf einer Kundgebung zu sprechen.
Tagesschau 10.11.
(Youtube Video: Tagesschau vom 10. November 1989)
11.11. In der Bernauer Straße beginnt unter dem Jubel der Menschen der Abriss der Berliner Mauer.
13.11. Die Sperrzone an der innerdeutschen Grenze und entlang der Berliner Mauer wird aufgehoben.
Hans Modrow wird von der Volkskammer offiziell zum Vorsitzende des Ministerrates der DDR gewählt.
17.11. Mit über 50.000 Teilnehmern findet in Prag die größte Demonstration seit 20 Jahren statt.
18.11. Die DDR-Volkskammer bildet einen Untersuchungsausschuss zur Überprüfung von Amtsmissbrauch und Korruption.
24.11. Die tschechoslowakische KP-Führung tritt zurück und ermöglicht damit den Weg zu Reformen und freien Wahlen.
25.11. Im vogtländischen Plauen wird die erste öffentliche Forderung nach Wiedervereinigung erhoben.
26.11. Bürgerrechtler, Künstler und SED-Reformer plädieren im gemeinsamen Aufruf „Für unser Land“ für einen reformierten Sozialismus und für die Eigenständigkeit der DDR.
27.11. Leipziger Montagsdemonstration mit 150 000 Teilnehmern, erste Sprechchöre „Deutschland einig Vaterland“.
28.11. Bundeskanzler Kohl legt einen Zehn-Punkte-Plan zur schrittweisen Überwindung der deutschen Teilung vor.
30.11. Die tschechoslowakische Regierung gibt die sofortige Demontage aller Sperranlagen an der Westgrenze bekannt.
Dezember 1989
1.12. Der Führungsanspruch der SED, der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, wird aus der DDR-Verfassung gestrichen.
2.12. Auf dem Gipfeltreffen zwischen US-Präsident George H.W. Bush und Michail Gorbatschow auf Malta steht die Deutschlandfrage im Mittelpunkt.
3.12. Das Zentralkomitee und das Politbüro der SED unter Egon Krenz treten zurück.
4.12. In Erfurt und einigen anderen Städten werden die ersten Stasi-Dienststellen von Bürgerrechtlern besetzt.
7.12. In Ost-Berlin konstituiert sich der Zentrale Runde Tisch der DDR mit Vertretern von Parteien, Kirchen und Bürgerbewegungen.
8.12. Der DDR-Generalstaatsanwalt leitet gegen Erich Honecker, Erich Mielke, Willi Stoph und andere Verfahren wegen Amtsmissbrauchs und Korruption ein.
9.12. Die Geraer Bezirksverwaltung des Ministeriums für Staatssicherheit ruft zum Putsch gegen die friedliche Revolution auf.
12.12. Nach einem Amnestiebeschluss des Staatsrates beginnen Haftentlassungen. Ausgenommen sind Kapitalverbrechen und andere schwere Delikte.
14.12. Die Außenminister der Nato-Staaten sprechen sich für die deutsche Einheit in freier Selbstbestimmung aus.
16.12. Initialzündung der Revolution in Rumänien: In Temeswar kommt es zu Demonstrationen, die sich über das ganze Land ausbreiten.
18.12. Schweigemarsch mit rund 150.000 Teilnehmern in Leipzig für die Opfer des Stalinismus. Auch in Dresden, Schwerin, Halle und Ost-Berlin finden große Demonstrationen statt.
19.12. Bundeskanzler Kohl besucht die Stadt Dresden und wird dort von Zehntausenden Menschen begeistert empfangen.
21.12. Der Schießbefehl an der DDR-Westgrenze wird offiziell aufgehoben.
22.12. Das Brandenburger Tor wird unter dem Jubel von rund 100.000 Menschen wieder geöffnet.
23.12. Das Ostberliner „Neue Forum“ steht vor einer Zerreißprobe: Soll es Partei werden oder Bürgerbewegung bleiben?
24.12. Das DDR-Fernsehen überträgt an Heiligabend erstmals eine evangelische Christvesper und die Christmette des Papstes aus dem Vatikan.
25.12. In Rumänien werden der bisherige Staatschef Nicolae Ceau?escu und seine Frau hingerichtet.
29.12. Václav Havel wird einstimmig zum tschechoslowakischen Staatspräsidenten gewählt.
30.12. In seiner Ansprache zum Jahreswechsel würdigt Bundeskanzler Helmut Kohl den Kampf der Menschen in der DDR und in den anderen Staaten Osteuropas für Freiheit, Menschenrechte und Selbstbestimmung. Das folgende Jahr 1990 wird den Menschen in Ost und West die deutsche Einheit auf der Basis des Einigungsvertrages bringen.
DDR im Unterricht
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